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Sport: „Die Spritzen zermürben mich“

Rostocks Torjäger Martin Max über seinen kaputten Körper, Rudi Völler und Herthas neuen Trainer Falko Götz

Herr Max, haben Sie schon gehört, dass Falko Götz Trainer bei Hertha BSC wird?

Oh, da wünsche ich den Berlinern viel Spaß. Ich weiß aber nicht, ob ihn jeder haben wird.

Sie haben vor einem Jahr noch unter Götz bei 1860 München gespielt. Erzählen Sie uns doch mal, wie er sich seit seinem Weggang aus Berlin entwickelt hat.

Das müssen Sie schon selbst rausfinden. Grundsätzlich rede ich ungern über andere Leute. Aber es ist ja bekannt, dass Götz nicht besonders viel von mir gehalten hat. Keine Ahnung, ob das für alle älteren Spieler gilt. Bei mir kam damals ja noch dazu, dass ich lange verletzt war. Seit dem letzten Jahr bei 1860 spielt mein Körper nicht mehr so richtig mit.

Wie geht es Ihrem Körper jetzt?

Danke, es geht so. Die letzten drei Saisonspiele mit Hansa werde ich schon noch schaffen, dann ist Schluss.

Für immer oder nur in Rostock?

So wie es aussieht, für immer. Es wird zwar viel spekuliert, aber ich habe kein Angebot. Auch nicht aus Katar, auch wenn das immer wieder im Raum steht. Ja, ja, ich weiß, mein Berater Roger Wittmann berät auch Mario Basler, und der spielt in Katar. Aber ich kenne den Basler persönlich gar nicht, er kann mir also auch keine Tipps gegeben haben. Ich habe nur gesagt, dass ich mir im Lauf des Sommers noch mal Gedanken mache, falls eine Anfrage kommt. In der Bundesliga ist auf jeden Fall Schluss.

Der Verein sieht das anders. Sie stehen noch bis 2005 bei Hansa unter Vertrag. Sie, und nicht der FC Hansa, haben bei Ihrem Wechsel aus München nach Rostock im letzten Sommer darauf bestanden, für zwei Jahre zu unterschreiben.

Damals dachte ich, es geht noch für zwei Jahre in der Bundesliga. Ich habe mich geirrt.

Hansa hat Ihnen nach einer schlechten Saison bei 1860 München eine letzte Chance in der Bundesliga gegeben. Sie haben diese Chance genutzt, bislang 19 Tore geschossen, und viele glauben, dass Sie jetzt in Katar noch mal das große Geld machen wollen. Hansa soll noch nicht mal mit einer Ablösesumme entschädigt werden. Sind Sie undankbar, Herr Max?

Nein, nur fair. Ich bin fertig, ausgebrannt und müde, ich traue mir die Bundesliga körperlich nicht mehr zu. Da wäre es doch unanständig gegenüber dem Verein, mit fünfzig Prozent in die nächste Saison zu gehen.

Wie merkt man, dass der Körper nicht mehr will?

Ich kann keine Spritze mehr sehen. Das zermürbt einen, wenn man andauernd nur gespritzt wird. Das geht jetzt eineinhalb Jahre so. Der Rücken ist kaputt, beide Fußgelenke sind kaputt. Unser Physiotherapeut hat letztens zu mir gesagt: „Martin, das sind nicht die Gelenke eines normalen Menschen.“ Da hat er wohl Recht. Leider.

Wie viele Martins haben bei Ihrer Entscheidung zum Rücktritt in Ihrem Kopf miteinander gekämpft?

Oh, viele. Nach jedem Tor denkt man: Na, vielleicht geht es ja doch noch. Das denken die Fans auch: Was will der denn, er läuft doch noch immer seinen Gegenspielern weg. Aber die sind ja auch unter der Woche beim Training nicht dabei, die sehen nicht, wie ich mich quäle. Wissen Sie, wie mein zehnjähriger Sohn reagiert hat? Der hat sich nicht gefreut, dass Papa endlich nach Hause kommt, er hat geheult, weil ich aufhöre.

Es heißt, der Verein habe aus der Zeitung von Ihrem Entschluss erfahren.

Das stimmt nicht. Vor mehr als einem Monat habe ich am selben Tag den Manager und den Trainer von meiner Entscheidung informiert. Natürlich waren die beiden überrascht und keineswegs begeistert, das können Sie sich ja denken.

Werden Sie im Frieden aus Rostock gehen?

Ich hoffe doch, es war eine schöne Zeit hier, und die andere Seite sollte es auch akzeptieren. Es wird ja in den nächsten Tagen ein Gespräch mit dem Präsidium geben. Vor einem Jahr hat mein Berater mit dem Verein vereinbart, dass sich beide Parteien nach dieser Saison noch einmal zusammensetzen und über die Zukunft reden, auch für den Fall, dass ein Angebot aus dem Ausland kommt.

Wie hat die Mannschaft reagiert?

Die Jungs verstehen das, die wissen, dass irgendwann ein Zeitpunkt kommt, an dem es einfach nicht mehr geht. Ich werde in diesem Jahr 36. Kennen Sie noch jemanden in der Bundesliga, der so alt ist wie ich? Torhüter zählen nicht! Unser Mittelfeldspieler René Rydlewicz ist 32, der kann sich nicht mehr vorstellen, in drei oder vier Jahren noch im Profifußball zu spielen.

Ihre Familie lebt weiter in München. Was könnte Ihnen den Anreiz geben, noch einmal für ein Jahr getrennt von Frau und Sohn zu leben, weit weg in der Wüste, ohne die wöchentlichen Flüge nach Hause?

Gute Frage. Sagen wir mal so, ein Jahr im Ausland fehlt mir noch in meiner Sammlung. Wenn noch mal ein sehr gutes Angebot kommt, dann nehme ich das noch mit. Das ist doch legitim.

Auch auf die Gefahr hin, dass Sie sich die Knochen endgültig ruinieren?

Das kommt doch immer darauf an, wo man spielt, wie groß die Belastung ist.

Ein Jahr mit den Kamelen in Katar…

…könnte ich noch Doppelpass spielen.

Trotz Ihrer körperlichen Probleme sind Sie zurzeit der erfolgreichste deutsche Stürmer. Sie haben in dieser Saison beinahe so viele Tore geschossen wie die aktuellen Nationalstürmer Kevin Kuranyi, Oliver Neuville und Fredi Bobic zusammen. Wann haben Sie das letzte Mal mit Teamchef Rudi Völler gesprochen?

Hm, da war mal was, so vor einem Jahr, bei der Jubiläumsveranstaltung zu 40 Jahren Bundesliga. Da sind wir uns kurz über den Weg gelaufen. Aber das Thema Nationalmannschaft ist für mich durch. Vor zwei Jahren…

… bei der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea…

… da war ich heiß. Ich war Torschützenkönig in der Bundesliga, aber Herr Völler hat sich für andere Stürmer entschieden. Fragen Sie nicht warum. Ich habe im Vorfeld der WM alles getan, meine Leistung gebracht, da fragt man sich schon, nach welchen Kriterien es da geht. Normalerweise werden Stürmer an Toren gemessen. In meinem Fall spielten wohl andere Dinge eine Rolle.

Welche?

Ich habe mir oft den Kopf zermartert und mit allen möglichen Leuten darüber diskutiert. Ich weiß es wirklich nicht!

Sie haben keine internationale Erfahrung.

Stimmt nicht, ich habe 1997 mit Schalke den Uefa-Cup gewonnen.

Sie haben nie in einem großen Verein gespielt.

Na und, der Paul Freier spielt in Bochum und zählt zum Stamm, daran kann es also auch nicht liegen. Vielleicht hätte ich öfter mal die Schnauze aufreißen und meinen Kopf in alle möglichen Kameras halten sollen.

Immerhin durften Sie kurz vor der WM neun Minuten lang gegen Argentinien spielen.

Das ist schön für die Statistik und für meinen Sohn, der rennt immer noch mit dem Trikot von damals herum. Aber im Ernst: Ich weiß bis heute nicht, was das damals sollte: Das war doch keine ernsthafte Chance. Ich war da, habe kurz guten Tag gesagt, ein paar Minuten gespielt, und dann bin ich wieder nach Hause gefahren.

Angeblich waren Sie beim Teamchef ein Thema für die EM in Portugal.

Da wissen Sie mehr als ich. Es gab keinen Kontakt. Warum auch, das wäre doch schizophren: Vor zwei Jahren war ich super drauf und musste zu Hause bleiben. Jetzt stehe ich am Ende meiner Karriere und soll zur EM? Das macht doch keinen Sinn.

Sie hätten sich einem Gespräch mit Völler verweigert?

Nein, grundsätzlich spreche ich mit jedem. Es kommt immer auf die Art an. Wenn er vor ein paar Wochen ein Vier-Augen-Gespräch gesucht hätte, wäre es vielleicht noch gegangen. Aber so? Über die Medien zu gehen und so einen Mist zu erzählen wie der Michael Skibbe…

… Völlers Assistent…

…dass er mich noch mal beobachten will, meine Laufwege studieren, und das nach 15 Jahren Bundesliga. Da fragt man sich doch, ob der noch alle Tassen im Schrank hat. Vor ein, zwei Jahren hätte mich so etwas noch verletzt, aber heute kann ich darüber lachen.

Spüren Sie Genugtuung?

Ein wenig vielleicht, wenn ich die Umfragen unter den Fans lese, welchen Stellenwert die mir einräumen, dass sie mich gern bei der EM sehen würden. Da sage ich mir dann: Du hast wohl doch nicht alles falsch gemacht.

Haben Sie mal bei Völler angerufen?

Tut mir Leid, ich habe seine Nummer nicht, aber ich hätte es auch sonst nicht getan. Ich gehe mal davon aus, dass er Zeitung liest. Er wird also wissen, was ich denke.

Das Gespräch führten Sven Goldmann

und Michael Rosentritt.

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