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Sport: Die Stolzen

In 18 Tagen durch die Liga, die Serie zum Saisonauftakt im Fußball – letzter Teil: Der Deutsche Meister Borussia Dortmund

18 Tage lang haben wir die Vereine der Fußball-Bundesliga vorgestellt. Der Schluss unserer Serie gebührt dem Deutschen Meister Borussia Dortmund, der heute Abend im Westfalenstadion das Eröffnungsspiel der neuen Saison gegen Hertha BSC bestreitet.

Wer hat das Sagen? Beim Meister aus Dortmund geben zwei Persönlichkeiten den Ton an: Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier. Der eine gehört als ebenso erfolgreicher wie smarter Anwalt zu den Honorationen der ehemaligen Bier- und Kohlestadt, der andere ist ein knorriger Westfale, der sein Metier so gut beherrscht wie kaum einer in der kickenden Branche. Niebaum und Meier sind nicht nur fähige Geschäftsleute, sie identifizieren sich auch voll mit ihrem Klub. So betont Niebaum immer wieder seine Nähe zu den Fans, weil er als Jugendlicher auf den Stehplätzen des Stadions Rote Erde die Europapokalhelden angefeuert hat. Als Doppelspitze genießen Niebaum und Meier höchsten Respekt. Nicht nur in der Bundesliga, sondern europaweit als Vertreter des BVB bei den G14-Klubs.

Was ist das Besondere? Was der Ballsport Verein Borussia Dortmund von 1909 in der Stadt für eine Bedeutung hat, wurde zuletzt im Mai demonstriert, als die Menschen in Dortmund ihrem Meister huldigten. Hunderttausende waren auf den Beinen, das Alter der feiernden Menschen reichte von drei Monate bis 103 Jahre. Fußball und Dortmund – das war schon immer Leidenschaft, in Deutschland allenfalls erreicht in Kaiserslautern und beim Revierrivalen aus Schalke. Wobei es ein schwieriges Unterfangen ist, einen Klub als modernes Wirtschaftsunternehmen zu führen, ohne seine Volkstümlichkeit zu verraten. BVB-Präsident Niebaum vollführt diesen Drahtseilakt seit 15 Jahren, wobei ihm Kritiker vorhalten, das Pendel schlage eindeutig Richtung Kommerz aus. Niebaum kann gute Argumente dagegenhalten: Borussia Dortmund ist nicht nur an der Börse notiert und beschäftigt eine Vielzahl hoch bezahlter Stars, sondern hat auch die größte Stehplatztribüne der Welt.

Was hat sich verbessert? Zu verbessern gibt es im Dortmunder Umfeld nicht besonders viel. Die Infrastruktur ist seit Jahren gewachsen, die Investoren sind langfristig an den Verein gebunden. Derzeit gilt es in erster Linie, den Stadionausbau voranzutreiben und den hochkarätig besetzten Kader punktuell weiter aufzuwerten.

Wie sicher ist der Trainer? Bombensicher! Matthias Sammer genießt nicht nur die Wertschätzung seiner Spieler, sondern auch die volle Rückendeckung der Vereinsführung. Niebaum, Meier und Sportmanager Michael Zorc lassen keine Gelegenheit aus, die Kompetenz ihres Trainers zu rühmen.

Wie passen die Neuen? Der BVB hat seinen Kader aus der Meisterschaftssaison punktuell verstärkt. Der wichtigste Neuling ist Torsten Frings. In Dortmund wissen sie nicht erst seit den beeindruckenden WM-Vorstellungen des Energiebündels, dass die rund zehn Millionen Euro, die sie an Werder Bremen bezahlt haben, gut angelegt sind. Frings wird dem Dortmunder Mittelfeld größere Dynamik und Durchsetzungskraft verleihen. Torwart Roman Weidenfeller, der aus Kaiserslautern kam, gilt als größtes deutsches Torwarttalent. Er wird sich jedoch auf Sicht mit der Rolle der Nummer zwei hinter Jens Lehmann begnügen müssen. Auch für den Argentinier Juan Ramon Fernandez, der auf den beiden Außenbahnen eingesetzt werden kann, wird vorerst kein Platz in der Stammelf sein.

Welche Taktik ist zu erwarten? Ab nach vorne. Schon die Vierer-Abwehrkette ist mit den Brasilianern Dede und Evanilsson offensiv ausgerichtet. Vor der Abwehr werden Sebastian Kehl und Torsten Frings abräumen. Davor hat Sammer die Wahl zwischen einer Vielzahl an Topstürmern, die von Spielmacher Tomas Rosicky in Szene gesetzt werden wollen.

Wer sind die Stars? Nationalspieler wie Metzelder, Frings oder Kehl haben bei der WM brilliert, dennoch stehen in Dortmunds Starensemble zwei Akteure im Scheinwerferlicht, die beim Gipfeltreffen der Weltbesten nur Zuschauer waren: der begnadete Techniker Rosicky und der Ballzauberer Amoroso. Allerdings muss Sammer zunächst noch auf Amoroso verzichten, der ebenso wie Wörns, Reina, Ricken und Herrlich nicht fit ist.

Wie wird der Mangel verwaltet? In Dortmund von Mangel zu sprechen, wäre übertrieben. Die Kirch-Krise trifft den Branchenmulti nicht besonders hart; nur 17 Prozent des Etats werden durch die Fernsehgelder abgedeckt. Sorgen macht allerdings die anhaltende Talfahrt der BVB-Aktie. Negativ könnten sich auch die hohen Personalkosten auswirken. Vor dem heutigen Saisonstart ist auch die Stimmung in der Mannschaft schlecht. Sammer hat nach einer verkorksten Vorbereitung seinen Stars den Kampf angesagt: „Einige können nicht mit dem Titel umgehen. Die Titelverteidigung ist kein Selbstläufer. Das muss jeder begreifen.“

Was gibt das Stadion her? Das Westfalenstadion ist der Stolz der Stadt. Wenn sie über die hypermoderne Arena „Auf Schalke“ mit dem schließbaren Dach reden, sprechen die Dortmunder verächtlich von „Turnhalle". Sie lieben ihre Heimstätte, weil sie Fußball in Reinkultur garantiert. Knapp 70 000 Zuschauer fasst das Westfalenstadion derzeit. Nach dem Umbau, bei dem die vier Ecken dichtgemacht werden, finden über 80 000 Besucher Platz.

Wie sind die Fans? Die Dortmunder vergöttern ihren Fußballverein, aber sie sind im Laufe der erfolgreichen Jahre anspruchsvoll geworden. Verdammt anspruchsvoll. Vorbei sind die 80er-Jahre, als die Leute im Westfalenstadion auch Mittelmaß akzeptierten, wenn die Mannschaft nur rannte. Heute kommen die ersten Pfiffe schnell, nicht nur aus jenen Regionen, die bei den Fans auf den Stehplätzen gern als „Scheißtribüne“ betitelt werden. Auch die Südtribüne ist ungeduldig. Dortmunds Fans wollen nicht nur Siege sehen, sondern sie verlangen von Rosicky, Amoroso und Co, dass sie zaubern. Sonst gibt es was auf die Ohren. Felix Meininghaus

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