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Sitzen geblieben. Federer fährt diesmal ohne French-Open-Titel nach Hause. Foto: AFP

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Sport: Die Suche nach dem Wohlgefühl

Rafael Nadal will bei den French Open den ausgeschiedenen Roger Federer als Nummer eins der Welt ablösen – doch dazu muss er sich noch verbessern

Wenn Antonio Nadal über seinen Neffen Rafael spricht, dann tut er das stets mit entwaffnender Objektivität und ohne jeglichen Familienbonus. Die renommierte französische Zeitung „L’Equipe“ hatte Rafael Nadal in dieser Woche zum besten Sandplatzspieler der Tennisgeschichte gekürt, doch Antonio Nadal zweifelte das Urteil der Fachjury an. Björn Borg sei schließlich unglaublich gut gewesen, sagte er. Und mit dem 16-maligen Grand-Slam-Sieger Roger Federer würde er seinen Neffen schon gar nicht auf eine Stufen stellen wollen. Es klingt hart, doch wer könnte es besser beurteilen, als der Mann, der Rafael Nadal seit dessen vierten Lebensjahr betreut. Und der für ihn wie ein Sohn ist. Gerade deshalb ist Antonio Nadal, der als „Onkel Toni“ bekannt ist, in den Tagen der French Open ein gefragter Mann. Seit dem Viertelfinal-Aus von Federer liegt der Vorteil im Zweikampf um die Spitze der Weltrangliste bei Nadal. Doch es wird gerätselt, ob die Form des Spaniers dazu ausreicht.

Sollte Nadal am Sonntag zum fünften Mal in Roland Garros triumphieren, würde er Federer als Nummer eins wieder ablösen. Nach dem Turnier von Wimbledon im letzten Juli hatte Nadal den Platz an seinen Rivalen aus der Schweiz verloren. Es war die bisher schwerste Zeit seiner Karriere, wegen hartnäckiger Knieprobleme hatte Nadal als Titelverteidiger seine Teilnahme am wichtigsten Turnier der Saison absagen müssen. Dass sich in dieser Zeit auch seine Eltern scheiden ließen, traf Nadal tief. Fast ein Jahr lang gewann er keinen Titel mehr, bis er sich mit Siegen bei den Masters-Turnieren in Monte Carlo, Rom und Madrid zurückmeldete. „Es geht ihm wieder gut“, sagte Antonio Nadal und meinte das in jeder Hinsicht.

Doch so groß die Euphorie über die Rückkehr des einstigen Dominators der Sandplätze auch sein mochte, sie lässt dennoch die Frage offen, ob Nadal wieder für die ganz großen Siege bereit ist. Seit 19 Partien ist er auf Sand ungeschlagen. Doch dabei traf er nur ein einziges Mal auf einen Top-Ten-Spieler: Federer im Finale von Madrid. Weitere Härtetests fehlten. Auch in Paris wirkten Nadals Auftritte meist souverän, er gab bisher keinen Satz ab. Die Gegner waren jedoch keine Herausforderung. Erst im Viertelfinale hatte Nadal nun mit seinem Landsmann Nicolas Almagro mehr Mühe, als erwartet. Vor zwei Jahren gewann Almagro an gleicher Stelle nur drei Spiele gegen Nadal. Es war das einseitigste Viertelfinale in der Geschichte der French Open. Dieses Mal nicht, Nadal siegte mit 7:6, 7:6 und 6:4. Gegen einen entfesselt aufspielenden Robin Söderling, der am Dienstag Federer bezwungen und ihm vor einem Jahr die erste Niederlage in Roland Garros beigebracht hat, wäre diese Leistung aber wohl nicht genug.

„Er kann sich noch in allen Belangen verbessern“, sagte Antonio Nadal. Ein Beleg, dass sein Neffe noch nach seiner Bestform sucht. Seit Wochen studiert er mit seinem Onkel Videos von Andy Murrays Aufschlagbewegung, Nadal soll sich diese aneignen. Mit verändertem Schläger und neuer Polyester-Seite wurde experimentiert, Nadal tut alles, um sein Wohlgefühl von einst zurückzubekommen. Ob es ihm bis zum Endspiel gelingt, ist offen. „Es spielt eigentlich keine Rolle, wer die Nummer eins und wer die zwei ist“, sagte Nadal, „aber ich wäre gerne wieder die Nummer eins.“ Gelingt ihm das nicht, würde Federer am Montag den Rekord von Pete Sampras von 286 Wochen auf der Spitzenposition egalisieren.

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