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Sport: Die Teenager und der Titel

Trotz ihres sehr jungen Teams wollen die Eisbären wieder Meister werden

Berlin Pierre Pagé jongliert. Mit Luft. Die Armbewegungen des Trainers vom EHC Eisbären erlauben diese Deutung. Eine Hand nach oben gewirbelt, die andere fliegt nach unten, und zurück das Ganze. „So ist das mit jungen Spielern“, sagt Pagé. Mit seiner Gestik will er illustrieren, wie sehr Jungprofis in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) seiner Meinung nach Leistungsschwankungen unterworfen sind. „Mal haben sie zu viel Selbstvertrauen oder keine Lust, dann spielen sie aber wieder erstaunlich gut.“ Letzteres müssen sie ab Freitag bei den Eisbären, wenn für die Berliner das erste DEL-Spiel in Nürnberg ansteht. Der Deutsche Meister geht mit einem ungewöhnlich jungen Aufgebot in die neue Saison. Neun erfahrene Profis, ein paar Zwanzigjährige und über ein Dutzend Teenager sollen es richten. Altersdurchschnitt? 22,4 Jahre, hat Pagé errechnet.

Trotzdem sind die Eisbären bei zehn von 14 DEL-Trainern der Titelfavorit. Erst sechs von zwölf Ausländerstellen haben die Berliner besetzt, woran sich aber etwas ändern wird, wenn die Saison in der nordamerikanischen Profiliga NHL im Oktober beginnt und mancher prominente Profi dort keinen Vertrag bekommen hat. Dann werden noch, wie Pagé sagt, „zwei Verteidiger und ein Stürmer kommen“. Zunächst einmal müssen die Eisbären aber mit ihrer jungen Mannschaft auskommen, Leistungsschwankungen einkalkulieren. Der Trainer ist trotzdem optimistisch, schließlich haben seine jungen Spieler seit Mai trainiert und in der Vorbereitung gut ausgesehen. „Florian Busch hat da in fast jedem Spiel ein Tor geschossen“, sagt Pagé. Und der 20-jährige Stürmer Busch sagt: „Mir ist klar, dass ich in dieser Saison einen Stürmer wie Alexander Barta ersetzen muss.“ Neun Tore hat der nach Hamburg gewechselte Barta vergangene Saison für die Berliner erzielt, Busch will in dieser Saison zwölf erzielen. „Damit wären wir also schon im Plus“, sagt Pagé. Der Trainer, ein Freund ausführlicher Metaphorik, vergleicht sein Team mit einer Aktiengesellschaft. „Wenn ich auf der einen Seite zwei Millionen Euro verliere, muss ich anderswo mehr verdienen, um Gewinn zu machen.“

Verloren hat die Aktiengesellschaft Eisbären nach dem Titel 13 Spieler. Das hört sich dramatischer an, als es ist: Die fünf besten Scorer der vergangenen Saison sind noch im Team. Außerdem werden sich die Berliner ja noch verstärken. Was nicht heißt, dass sie es nicht schon versucht hätten – ohne Erfolg. Zum Glück in einem Fall sogar. Manager Peter John Lee hatte sich um Verteidiger John Gruden bemüht. Frankfurt bot dem Kapitän der Eisbären aus der Saison 2003/2004 aber mehr. Pagé schätzte den Gesundheitszustand des Amerikaners ohnehin als kritisch ein: „Gruden hatte zu oft eine Gehirnerschütterung.“ Pagé lag richtig: 40 Minuten spielte Gruden in der Vorbereitung für die Lions, dann bekam er Schwindelgefühle. Sein Vertrag in Frankfurt wurde am Montag aufgelöst.

Für Pagé ist der Fall Gruden eine Bestätigung seiner Linie. Lieber auf junge, unverbrauchte Spieler setzen als auf Profis, die ihre beste Zeit hinter sich haben, sagt er. Trotzdem: Jongliert Pierre Pagé nicht auch mit dem Risiko? Wird es sein junges Team nicht schwer haben, gegen die erfahrenere Gegnerschaft? Könnte nicht die Ungeduld im Umfeld groß werden, wenn der Meister nicht oben mitspielt? Pagé hebt einen Arm, diesmal geht die Bewegung nur nach oben. „Wir haben nicht nur junge Spieler, wir haben überdurchschnittlich gute junge Spieler.“ Dann sagt er aber doch, dass er manchmal an seinem Konzept mit der Jugend zweifle. „Natürlich habe ich auch ein wenig Angst. Aber Angst ist Energie, Angst motiviert.“ Und Motivation brauche man, um den Titel zu verteidigen.

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