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Sport: Die traurige Glücksfee

Marlene Weingärtner hat ein schweres Los

Berlin. Marlene Weingärtner steht auf einem Podest auf der Anlage des Tennisklubs LTTC Rot-Wei, und zieht Lose. Irgendwann hat sie das Los in der Hand, auf dem ihr eigener Name steht. Sie wird gegen Conchita Martinez spielen, eine Sandplatzspezialistin, die das Turnier in Grunewald zweimal (1998 und 2000) gewonnen hat. Sollte sich Weingärtner wider Erwarten in diesem Match behaupten können, müsste sie in der nächsten Runde vermutlich gegen Jelena Dokic antreten. Ein Zuschauer unter einem Regenschirm scherzt über das schwere Los, das sich Weingärtner selbst zugefügt hat.

Marlene Weingärtner lächelt unsicher. Wie eine Glücksfee sieht sie nicht aus in ihrem dünnen roten Pullover und dem viel zu großen dunkelblauen Jackett, das ihr Bernd Warneck, der stellvertretende Turnierdirektor, geliehen hat. Marlene Weingärtner verschwindet in dem riesigen Kleidungsstück. Aber es wärmt gegen den kalten Wind, der über das Gelände bläst. Nach der Auslosung eilt Marlene Weingärtner ins Klubhaus. „Ich bin völlig durchgefroren“, klagt sie. „Hoffentlich erkälte ich mich nicht.“

Draußen auf den Plätzen laufen zur selben Zeit die Spiele des Qualifikationsturniers. Es hat zu regnen begonnen. Nicht so sehr, dass die Spiele unterbrochen werden, aber genug, um das Ganze für die Spielerinnen noch unangenehmer werden zu lassen, als es ohnehin schon ist. Einige müssen den Ball zweimal, dreimal hochwerfen, um aufzuschlagen. Immer wieder werden die Bälle vom Wind davongeweht.

Marlene Weingärtner hat Glück, dass sie im trockenen und warmen Klubhaus stehen darf und nicht draußen um die Teilnahme an den German Open kämpfen muss. Sie hat für das Turnier vom Veranstalter eine Wildcard bekommen, eine besondere Einladung. Die letzte Spielerin, die regulär zum Hauptfeld zugelassen wurde, ist die Österreicherin Barbara Schett, die in der aktuellen Weltrangliste Platz 54 belegt. Marlene Weingärtner steht auf Position 79. Damit ist sie zurzeit die zweitbeste deutsche Tennisspielerin.

Warum es in diesem Jahr noch nicht so recht geklappt habe mit dem Durchbruch, wird sie gefragt. Weingärtner sagt, dass sie gut arbeite, auch schon einige gute Ergebnisse erzielt habe. „Aber die Erwartungen sind in Deutschland seit den Erfolgen von Boris Becker und Steffi Graf natürlich sehr groß.“ Marlene Weingärtner hat bisher zweimal gegen Conchita Martinez gespielt. „Einmal war es knapp, da hätte ich fast gewonnen“, sagt Weingärtner, „beim zweiten Spiel nicht so, aber da war ich krank, da war ich nicht fit.“ Im vorigen Jahr musste sie in Berlin in der ersten Runde verletzt aufgeben.

Eberhard Wensky, der Turnierdirektor der German Open, steht neben Marlene Weingärtner. Er erzählt von den großen Zeiten des Turniers. 1986 stand die knapp 17-jährige Steffi Graf im Finale. Martina Navratilova war ihre Gegnerin. Steffi Graf gewann, es folgte eine große Karriere. Insgesamt neunmal gewann sie in Berlin, zuletzt 1996, zehn Jahre nach ihrem ersten Erfolg. Wensky wünscht sich, dass sich eine solche Überraschung in diesem Jahr wiederholt. Das Turnier könnte eine neue Heldin gut gebrauchen. Im vorigen Jahr hat keine deutsche Spielerin die dritte Runde erreicht.

Marlene Weingärtner steht frierend in ihrem dünnen Pullover im Eingangsbereich des Klubhauses. Sie sagt, dass natürlich jedes Los schwer sei und dass sie hoffe, gesund zu bleiben. Wer sie so sieht, dem fällt es schwer zu glauben, dass Marlene Weingärtner in diesem Jahr die große Überraschung gelingen wird.

Steffen Hudemann

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