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Sport: Die Trümmer, die er hinterließ

Juan Pablo Montoya bahnte sich ungestüm und fern jeder Diplomatie seinen Weg – gerade deshalb wird die Formel 1 ihn vermissen

Manchmal werden Menschen erst durch ihre Abwesenheit so richtig interessant. Seit Juan Pablo Montoya die Formel 1 vor dem Großen Preis von Frankreich (heute 14 Uhr live bei RTL und Premiere) so plötzlich verlassen hat, wird über den Kolumbianer mehr geredet als zu seiner aktiven Zeit. „Ich konnte zwei Nächte lang nicht schlafen“, ließ der Rekordweltmeister Michael Schumacher wissen, auch wenn sein Grinsen das genaue Gegenteil verriet. Das nachträgliche Interesse an Montoya verheißt einerseits nicht viel Gutes über die Leistungen des einstigen McLaren-Mercedes-Piloten, andererseits eine Menge Pikantes über die Hintergründe seiner Demission. Nach seiner nicht mit McLaren abgesprochenen Ankündigung, in der kommenden Saison in die US-amerikanische Nascar-Serie wechseln zu wollen, war Montoya von seinem Team beurlaubt und durch Pedro de la Rosa ersetzt worden. Es war das unrühmliche Ende einer Formel-1-Karriere, die von großen Hoffnungen begleitet immer wieder in großen Enttäuschungen mündete.

Am meisten enttäuscht dürfte wohl Ron Dennis von seinem einstigen Lieblingspiloten gewesen sein. Montoya hatte sich schon zu Saisonbeginn mit seiner Kritik am Auto die Sympathien des Teamchefs verscherzt und deswegen kein neues Vertragsangebot erhalten. Zwar wies Dennis in Magny-Cours darauf hin, dass Montoya noch immer zum Team gehöre und nur beurlaubt sei. Es sei sogar möglich, dass er im Laufe der Saison noch einmal zurückkehre. Realistisch betrachtet ist dies mehr als unwahrscheinlich, weil Dennis darüber, dass ihm Montoya erst kurz vor seiner Pressekonferenz in Chicago über seine Entscheidung informierte, noch immer verärgert ist und ihn kaum wieder in seinem Auto sehen möchte.

Wie so vieles in der Formel 1 hat auch der Fall Montoya einen sehr profanen finanziellen Hintergrund. Dennis’ Äußerungen waren zum einen eine klare Botschaft an Montoya. Beobachter sind sich inzwischen darüber einig, dass der Kolumbianer seinen Rauswurf provozieren wollte, nachdem er für die kommende Saison kein Formel-1-Cockpit fand. Doch die Botschaft seines Arbeitgebers an ihn lautet nun: So einfach geht das nicht.

Hätte McLaren Montoya nämlich hinausgeworfen, hätte das Team dem Kolumbianer wahrscheinlich eine hohe Abfindung zahlen müssen, auf die er offensichtlich spekuliert hat. Außerdem laufen in Brasilien mit McLaren-Sponsoren Werbekampagnen für sicheres Fahren ohne Alkohol, für die der andere McLaren-Pilot Kimi Räikkönen wegen seiner Alkoholeskapaden nur schwerlich als Ersatz taugt.

Nun erhält Montoya zwar weiterhin sein Gehalt, darf aber auch nicht schon in diesem Jahr für andere Teams oder Sponsoren in den USA auftreten. Will er das, wie es im Moment eindeutig den Anschein hat, dann müsste er auf seine Ansprüche verzichten und sich wohl auch noch zusätzlich aus seinem bestehenden Vertrag herauskaufen. „Er steht bei uns unter Vertrag“, sagt Ron Dennis, „außer es kommt zu einer kommerziellen Übereinkunft zwischen uns und seinem Nascar-Team oder Juan Pablo selbst.“

Wahrscheinlich ist Juan Pablo Montoya am Ende Opfer seiner eigenen verfehlten Politik geworden. Die Verhandlungen in den USA hat er offenbar selbst geführt und nicht einmal seinen Manager Julian Jakobi informiert, um keine Prozente seines Gehalts abgeben zu müssen. Der hätte ihm sicher die Konsequenzen seines Tuns klar gemacht und ihm davon abgeraten. Jetzt aber scheint es so, dass sich die Wege der beiden in Zukunft trennen. Und dass Montoya auf einmal erkennen muss, dass er gegen einen Taktiker wie Ron Dennis keine echte Chance hat.

Ein Taktiker war Montoya nie, weder im Auto noch außerhalb. „Juan Pablo war mein liebster Teamkollege, weil er keinerlei Politik kennt und einfach nur geradeaus immer der Schnellere sein wollte”, sagt Ralf Schumacher. Das mag als Lob gedacht gewesen sein, aber es macht eben auch deutlich, warum Montoya nicht nur durch seinen ungestümen Fahrstil viele Trümmer in der Formel 1 hinterlassen hat. Auf der Strecke konnte er die hohen Erwartungen nicht erfüllen, und abseits davon verspielte er sich mit seinem patzigen Benehmen und seinem großspurigen Auftreten viele Sympathien. Ob er einen wichtigen PR-Termin äußerst kurzfristig absagte, seinen Teamkollegen Räikkönen mit einem kurzen „Fuck you!“ bedachte, weil der ihn bat, eine Tasche von einer bestimmten Kiste in der Box zu nehmen, oder anderswo einem Teammitglied drohte: „Ich werde dafür sorgen, dass du deinen Job verlierst“ – viele Freunde hat sich Montoya im Fahrerlager nicht gemacht.

So ist es vielleicht kein Wunder, dass selbst der im Fahrerlager weitgehend isolierte Michael Schumacher die gängige Meinung unter den Piloten traf, als er sarkastisch bemerkte, es sei „todtraurig“, dass Montoya die Formel 1 verlasse. Bernie Ecclestone zeigte seine Traurigkeit immerhin etwas glaubwürdiger, aber auch der Formel-1-Chef hatte erkannt, dass die Zeit des Kolumbianers in seiner Rennserie abgelaufen war. Seinen Einfluss spielen zu lassen, um für Montoya noch einen Platz zu finden, wie er es hin und wieder früher in ähnlichen Situationen schon tat, das versuchte Ecclestone diesmal offensichtlich nicht. Vermutlich hatte es keinen Sinn. „Was hätte er tun sollen?“, fragte Ecclestone. „Er wäre nicht bei McLaren geblieben, und ich glaube nicht, dass er irgendwo anders untergekommen wäre.“ Immerhin hatte Ross Brawn ein kleines Lob für Juan Pablo Montoya zum Abschied übrig. „Ich denke, wir werden jemanden vermissen, den wir kritisieren können“, sagte der Technische Direktor von Ferrari. „Er war ein starker Charakter, und nicht jeder in der Formel 1 muss perfekt sein – was, glaube ich, ein kleines Kompliment durch die Hintertür ist.“

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