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Stein des Anstoßes. Annika Schleu und Pferd im Modernen Fünfkampf.

© imago

Die unqualifizierte Diskussion um Tierquälerei: Ihr macht nur die Pferde sch(l)eu!

Die neuen Regeln im Modernen Fünfkampf sind ein schlechter Witz – die Anzeige gegen Annika Schleu wegen Tierquälerei ist das allerdings auch. Ein Kommentar

Es wird vielleicht eins der ewigen Rätsel der Menschheit bleiben, warum ausgerechnet Sportverbände, also die Vertretungen höchst dynamisch-flexibel-leistungsorientierter Menschen, so oft so verschnarcht und unflexibel agieren wie die letzte Bürokratenbrigade. Sei es, dass sie nicht oder spät auf Dopingvorwürfe reagieren, nicht oder halbherzig auf Missbrauchsfälle oder Ausbeutung, oder wie jetzt im Fall des Modernen Fünfkampfs spät und falsch auf Kritik am fragwürdigen Reglement.

Dessen Reformbedürftigkeit wurde der Weltöffentlichkeit im Wortsinn schlagartig offenbar, als am Freitag, 6. August, in Tokio die deutsche Olympia-Medaillenhoffnung Annika Schleu ihr Pferd nicht dazu bewegen konnte, über die Hindernisse zu hüpfen. Sie brach darüber in Tränen aus und patschte dem Tier auf Geheiß ihrer Trainerin mehrfach aber vergebens die Reitgerte aufs Hinterteil. Statt Medaille gab’s Kritik aus der Sport- und Pferdewelt, unqualifizierte Häme und Hassbotschaften im Internet, und der Tierschutzbund war sich nicht zu blöd, Schleu jetzt auch noch wegen Tierquälerei anzuzeigen – eine ziemlich durchsichtige PR-Aktion.

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Es hätte für den Fünfkampf-Weltverband UIPM zwei mögliche Reaktionen gegeben, die auch der Selbstattributisierung als „Moderner“ Disziplin angemessen gewesen wären: Entweder man lässt die Athleten künftig mit selbst mitgebrachten Pferden reiten, oder man streicht die Pferdeepisode aus dem Fünfkampf und fährt stattdessen Downhill.

Beides hätte die Ursache des problematischen Umgangs mit den Pferden aufgelöst, die darin besteht, dass den Athleten ein völlig fremdes Tier zugelost wird, mit dem sie sich nur sehr kurz anfreunden können – oder eben auch nicht –, um dann einen durchaus anspruchsvollen Parcours zu absolvieren. Eher das Prinzip Rodeo also als Sport.

Der Einsatz von Gerte oder Sporen ist so wenig grundsätzlich Quälerei, wie ein Ruck an der Hundeleine nicht grundsätzlich Quälerei ist

Doch der UIPM in seiner fast schon grotesken Selbstbezogenheit zieht etwas anderes vor. Dem Vernehmen nach soll es künftig ein paar Hindernisse weniger im Parcours geben und die sollen niedriger werden. Das Losprinzip dagegen bleibt. Es wurde sogar als „Teil des dramatischen Spektakels“ für unerlässlich erklärt, denn exakt das sei es, was „den Modernen Fünfkampf so einzigartig und fesselnd macht“.

Nein, lieber UIPM, ist es nicht. Ganz im Gegenteil. Es ist das, was den Modernen Fünfkampf in den Verdacht rückt, Disharmonie von Mensch und Tier nicht nur zu billigen, sondern zu wollen. Und das macht den Unterschied.

Es lässt sich beim Reiten auch bei liebevollstem und kenntnisreichstem Umgang kaum vermeiden, dass die Menschen sich den Pferden gegenüber mal durchsetzen müssen. Sonst kann es durch das ungleiche Kräfteverhältnis schnell gefährlich werden. Der Einsatz von Gerte oder Sporen ist so wenig grundsätzlich Quälerei, wie ein Ruck an der Hundeleine beim Gassigang nicht grundsätzlich Quälerei ist oder das Runterschieben der Katze vom Esstisch. Es muss manchmal einfach sein. Anders als Moderner Fünfkampf.

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