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Sport: Die Verteidigung hält

Der Hamburger SV demonstriert in der Krise Einigkeit – fast jedenfalls

Von Karsten Doneck, dpa

Der Mann war füllig, nachlässig gekleidet und roch etwas streng. Schmatzend vertilgte er eine mitgebrachte Wiener, spülte mit einer Flasche Bier geräuschvoll nach. Seine Schuhe hatte er der Bequemlichkeit halber gleich ausgezogen, als er sich im Sessel niederließ. Die Saalordner im Hamburger Kongresszentrum am Dammtor guckten zwar pikiert, griffen aber erst ein, als sich der Mann auch noch eine Mütze mit dem Logo des FC St. Pauli über die Stoppelhaare stülpte. Höflich, aber bestimmt wurde der Mann des Saales verwiesen. Der Hamburger SV wollte am Montagabend eine friedliche Mitgliederversammlung abhalten: ohne Provokateure, ohne Störer, ohne Geschrei.

So dicht wie die 15 Herren aus Vorstand und Aufsichtsrat sowie die eine Dame, Vorstandsmitglied Katja Kraus, auf ihren Stühlen auf dem Podium zusammensaßen, bildeten sie eine schwer einzunehmende Verteidigungslinie, sicher einschüchternd für manche der 954 anwesenden Mitglieder. Einige trauten sich dennoch. Zwar blieben Tumulte wie auf der wegen fortgeschrittener Zeit abgebrochenen Versammlung vom 11. Dezember 2006 diesmal aus, aber manche begehrten trotzdem am Rednerpult auf, besonders gegen Vorstandschef Bernd Hoffmann und Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer. Ihnen wurden nicht nur Fehler bei den Spielertransfers angelastet, sondern auch das Schönreden der Lage in der Hinrunde. Es wären insgesamt zu hohe Erwartungen geweckt worden, hieß es.

Als Hoffmann das erste Mal ans Mikrofon trat, gab es vereinzelt Pfiffe. „Vielen Dank für den netten Empfang“, witzelte der HSV-Chef. Dann gab er zu: „Wir haben bei mancher Entscheidung daneben gelegen.“ Die Entlassung von Trainer Thomas Doll am 1. Februar bedauerte er, damit sei auf lange Sicht gesehen „auch eine Idee beschädigt worden“. Ein kritischer Geist unter den Mitgliedern entgegnete, man müsse aufpassen, dass „das Kürzel HSV nicht bald nur noch mit ,Hoffmanns schlechter Versuch’ übersetzt wird“.

Dem nicht unumstrittenen Beiersdorfer muss indes nicht bange sein um seinen Job als Sportdirektor: Er profitiert vom Wechsel an der Spitze des HSV-Aufsichtsrates. Dort hatte Horst Becker vor ein paar Tagen Udo Bandow abgelöst. Bandow soll mit der Idee des Aufsichtsratsmitgliedes Willi Schulz sympathisiert haben, den Posten des Sportdirektors neu zu besetzen. Becker fordert hingegen Kontinuität in den Gremien.

Trotz konträrer Ansichten: Die Stimmung auf der Versammlung wurde nie aggressiv, der HSV versuchte sich in Harmonie. Und so war es kein Wunder, als zu vorgerückter Stunde der Vorstand mit großer Mehrheit entlastet wurde – allerdings für die abgelaufene Saison 2005/06. Ob das auch für die Saison 2006/07 so glatt läuft, muss sich erst noch zeigen.

Die Friedlichkeit der Mitglieder wurde allerdings noch mal auf die Probe gestellt. Da wollte bei den Wahlen zum Vorstandsmitglied für die Belange der Mitglieder ein Herr Pürzer gegen den auf diesem Posten etablierten Christian Reichert antreten. Als Pürzer im tiefsten bayrischen Dialekt zur Rede anhob, schlug ihm schallendes Gelächter aus dem Saal entgegen: ein Bayer mit Führungsaufgaben beim HSV - da endet dann doch die Toleranz. Dabei hatte Herr Pürzer doch bloß mitzuteilen, dass er seine Kandidatur zurückzieht.

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