zum Hauptinhalt

Sport: Die Volkshochschule des Sports

Sportspaß Hamburg ist der größte Verein Deutschlands – dabei hat er kaum Ähnlichkeiten mit einem Klub

Will sich Sportspaß e.V. tarnen? Das Zentrum des Vereins am Berliner Tor in Hamburg erscheint von außen wie ein Baumarkt, ein schlichter Neubau ganz in Weiß. Innen weisen handgemalte Schilder den Weg zu den Übungsräumen und den Büros. In einem schlichten Zimmer mit Bildern von Wellen und Häfen an der Wand arbeitet Jürgen Hering. In Hemd und Jeans sieht der 54-Jährige aus wie ein Lehrer für Erdkunde und Sport, den der tägliche Umgang mit seinen Schülern jung gehalten hat. Aber man darf Hering den erfolgreichsten Sportmanager Deutschlands nennen. Er ist Geschäftsführer von Sportspaß. Kein Klub in Deutschland hat mehr aktive Mitglieder. Inzwischen sind es 36 000, und der Verein hat die Grenzen des Wachstums immer noch nicht erreicht.

Mit einem einfachen Prinzip gewinnt Sportspaß seine Mitglieder. Jürgen Hering nennt es „Sport für alle“, und es funktioniert so: Für einen Monatsbeitrag von 8,25 Euro können die Mitglieder aus 930 Angeboten pro Woche alles heraussuchen, was sie möchten. Es gibt Ballspiel- und Tanzkurse, Aerobic, Kampfsport, Laufen, Yoga, Rückengymnastik und was sonst noch gefragt ist. Das Sportangebot verteilt sich über die ganze Stadt. An 80 Standorten in Hamburg ist Sportspaß präsent, in ganz gewöhnlichen Schulturnhallen, aber auch in den drei vereinseigenen Zentren. Jedes Mal, wenn Sportspaß ein neues Vereinszentrum eröffnet, hat der Klub kurze Zeit später ein paar tausend Mitglieder mehr. Die einzige Werbung von Sportspaß ist das Programmheft, eine unauffällige Broschüre in enger Schrift und mit sechzig Seiten.

Als der Deutsche Sportbund (DSB) vor einigen Jahren seine Vereine stärken wollte, entwickelte er eine Kampagne: „Im Verein ist Sport am schönsten“, lautete ihr Titel, und in ganz Deutschland ließ der DSB Plakate mit netten Szenen aus dem Vereinsleben aufhängen. „Wer holt unsere Kinder von der Straße?“ stand darauf oder „Wo sind Vorbilder auch Freunde?“ All diese Ansprüche, etwa Sozialstation zu sein, will Sportspaß nicht erfüllen. Es gibt keinen Wettkampfsport und kein Vereinsleben mit gemeinsamen Aktivitäten außerhalb des Sports.

Es scheint, als sei Sportspaß sogar stolz darauf. „Andere Vereine haben uns am Anfang belächelt, weil wir keinen richtigen Wettkampfsport anbieten und keine Geselligkeit“, sagt Hering, der schon 1977 bei der Gründung von Sportspaß dabei war. Heute belächelt Hering die anderen. „Wenn sie über uns herziehen, wollen sie doch nur davon ablenken, dass sie nicht so erfolgreich sind wie wir.“

Selbstsicher haben ihn bestimmt auch zehntausende von Mitgliedern gemacht. Hering, seine 18 festangestellten Kollegen und die 600 selbständigen Trainer haben es geschafft, viele Menschen anzuziehen, die vorher noch nie Sport in einem Verein betrieben haben. 76 Prozent von ihnen sind Frauen, genauso viele sind zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt. Die meisten von ihnen kämen einmal die Woche, sagt Hering. In ihren Ansprüchen unterschieden sie sich nicht von Mitgliedern kommerzieller Fitnessstudios.

So wenig Wettbewerb es innerhalb von Sportspaß gibt, so viel Gefallen findet Hering an der Auseinandersetzung mit den anderen Hamburger Klubs. „Wir sind der einzige Verein in Hamburg, der eine gesunde finanzielle Basis hat“, sagt er. Die anderen würden auch gar nicht so viel in die Jugendarbeit investieren, sondern vor allem in den Wettkampfsport. „Was unsere Mitglieder dagegen an Beitrag leisten, kommt ihnen auch selbst zugute.“ So kundenfreundlich, und so einfach wie möglich, solle es gehen, ohne großen Verwaltungsaufwand.

Mit seinem Konzept wirkt Hering unangreifbar, und gerne sagt er auch Sätze wie: „Unsere Mitglieder merken gar nicht, dass sie in einem Sportverein sind. Es gibt nicht diese Vereinsmeierei.“ Vielleicht haben gerade solche Äußerungen die Vorbehalte der anderen großen Hamburger Sportklubs gegenüber Sportspaß noch verstärkt. Die gängigen Vorurteile lauten: Sportspaß nimmt uns die Mitglieder und die Sportanlagen weg und leistet nicht einmal einen sozialen Beitrag.

Den Ärger der Vereine hat auch Klaus-Jürgen Dankert zu spüren bekommen, der Präsident des Hamburger Sportbundes. Bei einer Feier von Sportspaß sagte er: „Wenn es Sportspaß nicht gäbe, müsste man ihn erfinden.“ Über diese Aussage haben sich andere Vereine bei ihm beschwert. Sportspaß sei schließlich eine Konkurrenzveranstaltung. Heute sagt Dankert: „Sportspaß ist wichtig. Aber wir wären arm, wenn es nur solche Vereine geben würde.“ Immerhin hätten es einige Klubs in Hamburg geschafft, in ihren Stadtteilen für soziale Ruhe zu sorgen.

Eine soziale Funktion besitze aber auch Sportspaß, entgegnet Hering. „Wie eine Volkshochschule machen wir Angebote, die sonst nicht für alle erschwinglich wären.“ In Fitnessstudios müsse man für vergleichbare Angebote viel Geld zahlen. Gegen die kommerziellen Studios will sich Hering schließlich genauso abgrenzen wie gegen die Vereine. „Im Fitnessstudio muss man schon vorher fit und schön aussehen“, sagt er. Ihnen sei es dagegen wichtig, dass alle zusammen Sport machten: Arbeitslose und leitende Angestellte, Alt und Jung, Dick und Dünn. „Die Atmosphäre ist schöner, wenn die Gruppe gemischt ist“, sagt der Geschäftsführer.

Der Erfolg scheint jedenfalls kein Ende zu nehmen, und Hering sagt: „Wir werden irgendwann in den Speckgürtel gehen und die Leute mit dem Sportspaß-Gedanken beglücken.“ Überhaupt kann er nur eine Frage zu seinem Konzept nicht beantworten: Warum hat es noch keiner in einer anderen Stadt nachgemacht?

Zur Startseite