zum Hauptinhalt

Sport: Die Volksnahen

In 18 Tagen durch die Liga (14) – die Serie zum Fußball-Saisonstart / Heute: Schalke 04

Die neue Saison der Fußball-Bundesliga beginnt am 9. August. Anhand von zehn Fragen stellen wir bis dahin alle 18 Vereine vor.

Wer hat das Sagen? Beim FC Schalke 04 gilt der Grundsatz: Alle Macht dem Manager. Rudi Assauer ist der herausragende Gestalter im Klub. Gemeinsam mit einigen wirtschaftlich kompetenten Vorstandskollegen, die zumeist im Hintergrund bleiben, hat der Manager aus den Trümmern eines konkursreifen Skandalklubs ein konzernartiges Wirtschaftsunternehmen aufgebaut, das wieder als kreditwürdig gilt. Assauer bestimmt nicht nur die Richtlinien der Vereinspolitik, er ist auch der oberste Öffentlichkeitsarbeiter. Obwohl er viele Sportreporter für nicht besonders sachkundig hält, versteht er es, mit der Boulevardpresse und den regionalen Medien Doppelpass zu spielen, ohne je die Meinungsseite zu verlieren. Für die neue Saison hat Assauer angekündigt, er werde sich ein wenig zurückziehen – von der Trainerbank auf die Tribüne. Viele können es noch gar nicht glauben.

Was ist das Besondere? Zur Philosophie des Klubs gehört eine Volksnähe, die gerade im Berufsfußball nur noch selten zu beobachten ist. Wer den Profis beim Training zuschauen will, braucht weder Zäune noch Absperrgitter zu überwinden. Manche Profis verbringen einen Teil ihrer Mittagspause in der Gaststätte „Der Schalker“ auf dem Vereinsgelände. Jedes Jahr an einem Sonntag im Dezember schwärmen Trainer, Manager und Spieler in alle Teile der Republik aus, um an den Weihnachtsfeiern der Fanklubs teilzunehmen. Die Anhänger sollen das Gefühl vermittelt bekommen, unverzichtbarer Teil des Mythos Schalke zu sein.

Was hat sich verbessert? Der introvertierte, zugleich exzentrische Stürmer Emile Mpenza ist angeblich erwachsen geworden. Der 24-Jährige habe „kapiert, was es heißt, Profi zu sein“, sagt Assauer. „Nach dem Training unter die Dusche und dann ab nach Lüttich, das wird es nicht mehr geben.“ Sonst hat sich nichts verbessert. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Reihe von Stammkräften derzeit nicht oder nur eingeschränkt diensttauglich ist. Wilmots, van Kerckhoven und van Hoogdalem fallen zum Saisonstart sicher aus. Ob Waldoch rechtzeitig fit wird, ist ungewiss.

Wie sicher ist der Trainer? Als Bundesligatrainer hat Frank Neubarth keine Erfahrung. Dennoch macht der Fußball-Lehrer, vormals bei den Amateuren von Werder Bremen tätig, einen souveränen Eindruck. Assauer hat ihm „die totale Unterstützung des Vereins“ zugesichert. Letztlich dürfte Neubarths Arbeit daran gemessen werden, ob die Mannschaft unter seiner Regie international wettbewerbsfähig bleibt.

Wie passen die Neuen? Die einzigen profilierten Zugänge werden zur Startelf gehören. Torhüter Frank Rost ist als Nummer eins unumstritten. Der dänische Nationalspieler Christian Poulsen bestach in der Vorbereitung durch Vielseitigkeit; da er im zentralen defensiven Mittelfeld ebenso wirkungsvoll ist wie auf der rechten Abwehrseite, gilt er als taktisch besonders wertvoll. Er soll den Tschechen Jiri Nemec vergessen machen.

Welche Taktik wird verfolgt? Die Grundformation besteht aus zwei Viererreihen sowie zwei Stürmern. Im Mittelfeld fühlen sich drei Viertel der Belegschaft hauptsächlich der Offensive verpflichtet. Sollten Böhme und Asamoah irgendwann wieder in Form kommen, werden sie dem Spiel Flügel verleihen. Die Schaltstelle der Macht im Mittelfeld wird bis auf weiteres von Andreas Möller besetzt, der seine vermutlich letzte Bundesligasaison angeht. Im Sturm teilt sich der Strafraumspieler Ebbe Sand die Arbeit mit seinem kongenialen Partner Emile Mpenza.

Wer sind die Stars? Der einzige wirkliche Star ist und bleibt der Manager (siehe Frage eins). Wenn er glaubt, dem Verein damit helfen zu können, lässt er sich sogar nackt in der Sauna fotografieren.

Wie wird der Mangel verwaltet? Den Mangel muss Trainer Neubarth verwalten. Das Schalker Aufgebot umfasst nur siebzehn Feldspieler von ausgewiesenem Erstligaformat. „Im Vergleich zu Dortmund und Bayern klaffen bei uns große Lücken“, sagt Trainer Neubarth. „Wir brauchen mindestens noch zwei gestandene Profis.“ Der Manager stimmt ihm zu. Aber nachdem der Klub für die Transfers von Rost und Poulsen insgesamt fast vierzehn Millionen Euro aufgewendet hat, scheint Assauer vor weiteren Investitionen dieser Größenordnung zurückzuschrecken.

Was gibt das Stadion her? Schalke spielt im modernsten Stadion Europas. Obwohl Kritiker in der Arena mehr eine Halle als ein Stadion sehen, lässt sich der Kartenverkauf praktisch nicht mehr steigern. Ebenso wenig die Lautstärke, in der sich die Emotionen auf den Rängen entladen. In der vergangenen Saison war jedes Heimspiel ausverkauft.

Wie sind die Fans? Am Schalker Markt hat sich längst die Legende gebildet, es kämen schon zehntausend Zuschauer ins Stadion, wenn der Platzwart am Berger Feld nur das Flutlicht einschaltet. Selbst das Abschiedsspiel von Ingo Anderbrügge, der elf Jahre für den FC Schalke 04 kickte, besuchten mehr als fünfzigtausend Menschen. Nicht allein, weil der Papst Ehrenmitglied des Klubs ist und im Untergeschoss der Arena eine Kapelle liegt, wird Schalke von manchen als Weltanschauung oder gar Religion interpretiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Glaubensgemeinschaften sind Schalke-Fans durchaus bereit, nach heftigem Ringen, auch abweichende Meinungen gelten zu lassen. Nachdem die Vereinsfamilie den früheren Dortmunder Andreas Möller adoptiert hatte, gab sogar der harte, teils brutale Kern von Widerstandskämpfern eines Tages auf. Richard Leipold

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false