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Eine gute Figur will Arne Friedrich im Nationaltrikot machen. Er spielte eine starke WM, war anschließend lange verletzt.

© dpa

Die Vorturner: Löw testet Arne Friedrich als Perspektivspieler

Zwei Monate vor seinem 32. Geburtstag wird Arne Friedrich in der Nationalmannschaft jetzt erstmals wieder als Perspektivspieler geführt. Gegen Australien wird er in einem besseren A2-Nationalteam spielen.

Arne Friedrich hat ein aufregendes Jahr hinter sich, mit allen Höhen und Tiefen, die man sich als Fußballer vorstellen kann: Dem Abstieg mit Hertha BSC folgte eine überragende Weltmeisterschaft, danach fiel Friedrich monatelang aus, und aktuell kämpft er mit dem VfL Wolfsburg gegen den Absturz in die Zweite Liga. Friedrich findet das alles „schon ziemlich verrückt“, aber das wird an Verrücktheit noch überboten von dem, was ihm am heutigen Dienstag bevorsteht. Zwei Monate vor seinem 32. Geburtstag wird Friedrich in der Nationalmannschaft jetzt erstmals wieder als Perspektivspieler geführt.

Der Wolfsburger wird am Dienstag gegen Australien in einer besseren A2-Nationalmannschaft spielen. „Natürlich hätte ich es mir anders gewünscht und anders vorgestellt“, sagt er. „Aber ich muss erst wieder auf meine Chance warten.“ Philipp Lahm, Mesut Özil und Sami Khedira haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich zu ihren Heimatklubs zu verabschieden, und von den elf Spielern, die am Samstag in der EM-Qualifikation gegen Kasachstan in der Startelf standen, werden vermutlich nur zwei – Thomas Müller und Bastian Schweinsteiger – erneut von Anfang an spielen. Schweinsteiger allein bringt es auf fast genauso viele Länderspiele (86) wie die komplette Viererkette, die Bundestrainer Joachim Löw mit Friedrich (79), Christian Träsch (5), Mats Hummels (3) und Marcel Schmelzer (1) bestücken wird.

„In dieser Konstellation haben wir noch nie zusammengespielt“, sagt Friedrich. Das macht die Sache nicht leichter, „aber wir wollen uns so teuer wie möglich verkaufen“. Das Risiko, dass es nicht klappt, nimmt Joachim Löw bewusst in Kauf. Sein Assistent Hans-Dieter Flick sagt: „Es ist wichtig, dass wir solche Spiele haben, damit die Spieler unsere Philosophie verinnerlichen und eine Weiterentwicklung der Mannschaft garantiert ist.“

Die Begegnung mit Australien ist in dieser Hinsicht ein typisches Löw-Spiel: weil es den Bundestrainer als jemanden ausweist, der heute schon an morgen denkt. „Wir haben einige junge Spieler, die nachdrängen“, sagt er. Spieler, die bis zur Europameisterschaft 2012, vielleicht auch erst bis zur WM 2014 das notwendige Niveau für eine tragende Rolle erreichen. Was die kurzfristige Perspektive der Talente angeht, hat sich der Bundestrainer immer zurückhaltender geäußert als die Allgemeinheit, die längst goldene Zeiten für den deutschen Fußball anbrechen sieht. Bei genauerem Hinsehen erweist sich Joachim Löw, der radikale Erneuerer, als erstaunlich wertkonservativ. Am Samstag gegen Kasachstan standen nur Spieler in der Startelf, die schon im Sommer dem deutschen Weltmeisterschaftskader angehörten.

Fast auf den Tag genau vor vier Jahren hat es eine ähnliche Begegnung gegeben wie die gegen Australien. In Duisburg spielte damals eine Art Team für 2012 gegen Dänemark, und es war das erste Mal, dass sich dem personell ausgezehrten deutschen Fußball wieder so etwas wie eine mittelfristige Perspektive eröffnete. Joachim Löw bot im Laufe der 90 Minuten insgesamt sechs Debütanten auf, unter anderem Simon Rolfes und Robert Enke; in der Viererkette verteidigten Alexander Madlung und Manuel Friedrich, und Kapitän war Kevin Kuranyi. Im Nachhinein stellte sich allerdings heraus, dass die Qualität des Teams nicht ganz so üppig war wie gedacht. Von den 15 gegen Dänemark eingesetzten Spielern steht kein einziger im aktuellen Kader der Nationalmannschaft.

Die Entwicklung hat all die Madlungs, Schlaudraffs und Hilberts längst hinter sich gelassen. Sie sind von einer Generation überholt worden, die dank der professionalisierten Ausbildung über ganz andere Anlagen verfügt. „Eine große Menge an qualitativ hochwertigen Spielern“ hat Arne Friedrich im deutschen Fußball ausgemacht. Mario Götze, 18, und André Schürrle, 19, etwa gelten völlig zu Recht als außergewöhnliche Begabungen, Mats Hummels, 22, halten viele für den aktuell besten Innenverteidiger der Bundesliga, und Marcel Schmelzer, 23, „ist schon nahe dran an der modernen Prägung des Außenverteidigers“, sagt Hans-Dieter Flick. Der Linksverteidiger aus Dortmund wittert bei seinem Einsatz gegen Australien „die Chance zu zeigen, was wir können, und ein bisschen Druck aufzubauen“.

Druck auf Spieler wie Arne Friedrich, der seit fast neun Jahren in der Nationalmannschaft spielt und noch aus einer anderen Zeit stammt. Als der frühere Nationalspieler Jens Nowotny dem Team am Montag im Mannschaftsquartier in Düsseldorf einen Besuch abstattete, ist Friedrich aufgefallen, wie schön es doch ist, „auch mal einen etwas älteren Spieler zu treffen“. Diese Erfahrung wird ihm Dienstagabend wohl verwehrt bleiben.

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