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Sport: Die Wahrheit am Ende des Tunnels

Das liebste Streitobjekt der Menschheit ist immer noch die Wahrheit. Was für den einen klar ist, muss es nicht unbedingt für den anderen sein.

Von Christian Hönicke

Das liebste Streitobjekt der Menschheit ist immer noch die Wahrheit. Was für den einen klar ist, muss es nicht unbedingt für den anderen sein. So war es auch im Disput zwischen Joachim Löw und Michael Ballack. Hatte der Bundestrainer seinem langjährigen Kapitän offen gesagt, dass er ohne ihn plane, oder hatte er ihn respektlos ausgemustert?

Mit dem Deutungsstreit um Ballacks Ende in der Nationalmannschaft begann auch der schleichende Verlust der öffentlichen Autorität von Joachim Löw. Plötzlich stand der nette Jogi als Lügner da. Ballacks Nachtreten legte die Saat für immer fundamentalere Zweifel an Löw, für die Debatte um seine angeblich falsche EM-Taktik und seine fehlende Kritikfähigkeit.

Nun schlägt der angriffslustige Ballack versöhnliche Töne an. Das verwundert und lässt eigentlich nur eine Deutung zu: Vermutlich hat Ballack die Wahrheit damals nicht gehört, weil er sie nicht hören wollte. Sein Ego war wohl noch zu groß, um den schwindenden Bedeutungsverlust seines Körpers akzeptieren zu können. Das ist nicht untypisch für Athleten, die sich mit einer Art Tunnelblick durch die gnadenlose Sportwelt kämpfen müssen und erst danach das große Ganze sehen können. Ballack jedenfalls wird offenbar so langsam empfänglich für Einsichten, die ihm früher fremd waren – die späte Trauer über das verpasste Abschiedsspiel gegen Brasilien inklusive.

Die Möglichkeit zu einem solch glanzvollen Ende der Nationalelfkarriere wird Michael Ballack nicht mehr bekommen. Mit der ausgestreckten Hand in Richtung Löw versucht er nun, zumindest den positiven Blick auf seine Laufbahn zurückzugewinnen. Abschiedsgespräch statt Abschiedsspiel – das sollte Löw Ballack gönnen, um Frieden mit sich selbst machen zu können.

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