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Wie ein Phantom. Der neue Cristiano Ronaldo gönnt sich seine Pausen, er ist oft für fünf oder zehn Minuten nicht zu sehen.

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Update

Die Wandlung des Cristiano Ronaldo: CR2017

Cristiano Ronaldo hat seinen Stil umgestellt: Weg vom effektvollen, hin zum effektiven Spiel. Eine Würdigung.

Später am Vormittag schaute der Präsident beim Auslaufen vorbei. Das macht er nicht so oft, denn Florentino Perez ist ein vielbeschäftigter Bauunternehmer und zeigt sich lieber im Estadio Santiago Bernabéu als auf dem Trainingsgelände, das in vollendeter Bescheidenheit den Namen „Ciudad Real Madrid“ trägt. Diesmal aber gab es etwas zu feiern, was tags zuvor beim 3:0-Sieg über den Stadtrivalen Atlético ein wenig untergegangen war. Also ließ Perez die Fotografen zusammentrommeln und präsentierte in der klubeigenen Stadt ein ganz besonderes Leibchen aus der klubeigenen Schneiderei.

Drei überdimensionale Ziffern bedeckten den Platz, auf dem normalerweise der Hauptsponsor für sich wirbt, aber was ist schon normal an dem Mann, vor dem sich Perez symbolisch verneigte. Also bekam Cristiano Ronaldo das Hemd mit der riesigen Nummer 400 auf der Brust. Kleine Anerkennung für sein 400. Tor, das der Portugiese am Dienstag für Real geschossen hat, in seiner nunmehr achten Saison in Diensten des berühmtesten, verrücktesten aber auch erfolgreichsten Klub der Welt.

Das hohe Ergebnis lässt dieses Hinspiel im Halbfinale der Champions League einseitiger erscheinen, als es eigentlich war. So wie auch die allesamt von Ronaldo erzielten Tore diesem eine Präsenz zukommen lassen, wie sie auf dem Platz schwerlich auszumachen war. Es steckte ein wenig Koketterie, aber auch viel Wahrheit in der Lobeshymne, die Ronaldo später auf seine Kollegen anstimmte. „Die Mannschaft hat überragend gespielt“, sprach der Mann des Abends. „Ich musste dann nur noch die drei Tore machen.“ Und dann sagte er noch einen Satz, der ihm noch nie über die Lippen gekommen ist und deshalb auch im Original zitiert werden darf: „Soy de este planeta!“

Atlético wäre beinahe mit einem 0:1 davongekommen. Wäre da nicht Cristiano Ronaldo gewesen

Er ist also wirklich von diesem Planeten und nicht das androgyne Geschöpf, das unter dem Label „CR7“ vermarktet wird. Cristiano Ronaldo ist vor ein paar Wochen 32 Jahre alt geworden und hat seinen Stil in der Spätphase seines Schaffens noch einmal umgestellt. Weg vom effektvollen, hin zum effektiven Spiel. Ronaldo will nicht mehr jeden Ball haben, er legt keinen Wert mehr auf exzessive Dribblings mit nahtlos aneinander gereihten Übersteigern und er zieht auch nicht mehr so viele Tempoläufe an. Der neue Ronaldo gönnt sich seine Pausen, er ist oft für fünf oder zehn Minuten nicht zu sehen, und wie er dann doch wie aus dem Nichts seine Tore macht, hat schon etwas Phantomhaftes.

Schon im Viertelfinale wähnten die Bayern Ronaldo unter Kontrolle, aber das ließ sich nicht in Einklang bringen mit den fünf Toren des Portugiesen in beiden Spielen (auch wenn er bei den letzten und entscheidenden beiden knapp im Abseits stand). Atlético hatte am Dienstag keinen so schlechten Zugriff auf das Spiel und wäre beinahe mit einem knappen 0:1 davongekommen. Wäre da nicht Cristiano Ronaldo gewesen.

Die Frage, ob er vor seinem Kopfball zum 1:0 nun im passiven oder aktiven Abseits stand, mag die Diskussion über eine von Theoretikern formulierte Regel vorantreiben. Ronaldo kann es egal sein. Beim 2:0 in der Schlussphase zeigte er seine außergewöhnliche Schusstechnik, beim 3:0 hatte er ein bisschen Glück, dass Atléticos Torhüter Jan Oblak zu früh fiel.

3:0 gegen Atlético – das ist auch für das verwöhnte Publikum im Bernabéu etwas ganz Besonderes. Ronaldo nahm die Ovationen eher zurückhaltend entgegen und legte den Zeigefinger über die Lippen. Er hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten oft genug darüber geärgert, wenn seine dosierten Auftritte mit Pfiffen bedacht wurden. Den Triumph über die Bayern hatte er mit der Bemerkung kommentiert, die Madrilenen sollten keine Straße nach ihm benennen, „sie sollen mich nur nicht auspfeifen“. Und die Gala über Atlético mochte Ronaldo keineswegs als Vorentscheidung werten, „das war nur ein Schrittchen auf dem Weg nach Cardiff“, wo das Finale am 3. Juni ausgespielt wird.

Der neue Ronaldo spielt nicht nur, er redet auch anders.

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