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Sport: Die Welt daneben

Serena Williams ist derzeit überall zu finden – nur nicht auf dem Tennisplatz

Melbourne/Los Angeles. Serena Williams scheint die Australian Open nicht wirklich zu vermissen. Vor kurzem strahlte sie in die Kameras der Fotografen, als sie sich vor einem Rennwagen in Position stellte. Der Reißverschluss des schwarzen Overalls war verführerisch weit geöffnet, die Hüfte nach außen geschwungen.

Die sechsfache Grand-Slam-Siegerin ging zuletzt diverse Laufstege hinab, spielte in der TV-Serie „Law & Order“ eine Gastrolle, demonstrierte für Michael Jackson und besuchte hochkarätige Sportevents. Als Zuschauerin. Immer lächelnd, immer vergnügt. „Wer nicht nur ausschließlich auf dem Tennis-Court nach ihr Ausschau hält“, bilanzierte das Magazin Sports Illustrated, „kann sie dieser Tage nur schwer verfehlen.“ In dem ironischen Unterton vieler US-Medien klingt Unverständnis über die Entscheidung der 22-Jährigen mit, sechs Monate nach ihrer Knieoperation als Titelverteidigerin in Australien noch nicht wieder anzutreten.

Als bei Serena Williams am 1. August des vergangenen Jahres eine angerissene Sehne im linken Knie geflickt wurde, war zunächst von einem „kleinen Eingriff“ die Rede gewesen. Bereits drei Wochen nach der Operation spazierte die ehemalige Weltranglistenerste wieder in Stöckelschuhen herum. Umso überraschender traf die Turnierveranstalter in Melbourne die Absage der ambitionierten Hobby-Schauspielerin, die eines Tages die Kinoleinwand erobern will. Sie brauche mehr Zeit zur Rehabilitation, hieß es in einem Statement kurz vor den Australian Open.

Nicht nur für die Veranstalter war die Absage eine schlechte Nachricht. Der Sportartikelhersteller Nike nahm Serena im Dezember für fünf Jahre unter Vertrag, die genannten 40 Millionen Dollar entsprechen dem Deal ihrer großen Schwester Venus mit der Firma Reebok. Noch nie hat eine Athletin mehr Geld für einen Werbevertrag bekommen als die beiden Schwestern. Doch den Gegenwert bleibt derzeit nicht nur die in Melbourne abwesende Serena schuldig. Nach ihrem völlig überraschenden Ausscheiden in der dritten Runde sprach Venus Williams von „einem Schock“ und davon, „diese Niederlage einfach nicht glauben zu können". Ihre Mutter Oracene Price lächelte gequält in der Betreuer-Box und applaudierte Venus wohl nur für den Mut, nach einer ebenfalls langen Verletzungspause wenigstens angetreten zu sein.

Es war schließlich erst ihr drittes Match seit der Wimbledon-Finalniederlage gegen Serena im vergangenen Sommer gewesen. Vor einem Jahr standen sich die beiden auch im Finale der Australian Open gegenüber. Damals gewann Serena ihren vierten Grand- Slam-Titel hintereinander und wurde schon mit Steffi Graf und Martina Navratilova verglichen. Doch Vater Richard Williams scherzt schon lange nicht mehr damit, dass das Kürzel der Profispielerinnen-Vereinigung WTA eigentlich Williams Tennis Association bedeuten würde. Venus und Serena sind immer noch engste Vertraute. Als ihre Halbschwester Yetunde Price im September ermordet wurde, trösteten sie sich gegenseitig über den Verlust hinweg. Aber die Wege trennen sich immer öfter. Beide teilen sich ein gemeinsames Haus in Florida, doch Serena hat jetzt auch eine Eigentumswohnung in Los Angeles.

Während Venus diskret eine Designerfirma aufbaut, nimmt Serena Schauspiel-Unterricht, trifft Entertainment-Bosse und genießt die Freundschaft zu Rapmusikern wie Jay-Z. „Sie hat die Grenze überschritten, schon jetzt kennen sie nicht nur Tennis-Fans“, sagt ihre Agentin Jill Smoller. Serena hofft, ihre Popularität weiter steigern zu können. Am liebsten durch eine Rolle in einem Kino-Thriller.

Stefan Liwocha

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