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Sport: Die Welt holt auf

In starken Trainingsgruppen verringert die Konkurrenz den Abstand zu den deutschen Eisschnellläuferinnen

Die Gäste aus Fernost ließen kaum eine Ecke aus. Kraftraum, Umkleidekabinen, sanitären Anlagen, Eisfläche – die Chinesen ließen sich alles zeigen, als sie die Erfurter Eisschnelllauf-Halle inspizierten. Stephan Gneupel war dabei, als die Delegation seinen Arbeitsplatz begutachtete. Gneupel trainiert unter anderem die deutschen Spitzen-Läuferinnen Daniela Anschütz und Sabine Völker. Er erzählte vor allem von dem stabilen Eis in der Halle und den ausgezeichneten Trainingsbedingungen. Und hier hörten die Chinesen besonders gut zu, schließlich wollen sie zu Hause neue Hallen bauen. Bis jetzt hat China eine Eisschnelllauf-Halle, in Harbin. Zwei weitere sind im Bau, andere sind geplant. In Harbin trainiert Manli Wang. Sie hat vor kurzem den Gesamt-Weltcup über 500 Meter gewonnen und gilt auch als Favoritin bei den Weltmeisterschaften in Inzell über diese Strecke. „Die Chinesen pumpen sehr viel Geld in den Eisschnelllauf“, sagt Gneupel.

Die Chinesen werden immer stärker, und die Dominanz der deutschen Eisschnellläuferinnen schwindet immer mehr. Jahrelang haben die deutschen Frauen die Szene beherrscht, jetzt rückt die Konkurrenz bedrohlich nahe. Bei der WM in Inzell ist das gut zu sehen. Viele Jahre lang haben in Deutschland Männer und Frauen gemeinsam trainiert, der Leistungsdruck hat vor allem die Frauen nach vorne gebracht. In Holland dagegen, wo Eisschnelllauf Volkssport ist, war das jahrelang verpönt. Doch inzwischen gibt es kaum noch ein Land, in dem die Trennung aufrecht- erhalten wird, auch die Holländer haben seit mehreren Jahren gemischte Gruppen. Aber das allein erklärt nicht, warum die Deutschen ihren Vorsprung verloren haben.

In anderen Ländern wird systematischer gearbeitet als früher und mit höherem finanziellen Einsatz. Die Chinesen etwa haben drei Spitzenläuferinnen für ein paar Monate zum Training auf die Olympiabahn von Calgary geschickt. Zu einem dreiwöchigen Sommer-Lehrgang an gleicher Stätte rückte der chinesische Verband gleich mit 60 Athleten an. „Die haben ein riesiges Reservoir an Talenten“, sagt Gneupel.

In Calgary trainieren auch die Kanadierinnen Clara Hughes und Cindy Klassen. Hughes, Olympiadritte über 5000 Meter gewann im Dezember beim Weltcup in Berlin die 3000 Meter, Klassen gewann 2003 den Titel bei der Mehrkampf-WM und wurde gestern bei der Einzelstrecken-WM über 1500 Meter Erste. „Da hat sich eine starke Gruppe gefunden, die sich gegenseitig nach oben pusht“, sagt Gneupel.

Cindy Klassen war jahrelang Eishockey-Spielerin und wechselte erst 1997 zum Eisschnelllauf. Clara Hughes glänzte zuvor als Radrennfahrerin. Bei den Olympischen Spielen 1996 gewann sie auf der Straße und auf der Bahn jeweils Bronze. „Solche Athleten bringen natürlich eine gute Basis mit“, sagt Gneupel. Eisschnellläufer verbringen viele Stunden auf dem Rennrad. Gneupel sieht es bei seinen Athleten, wie wichtig Spezialisten auf dem Rad für die Kollegen von der Eisschnelllauf-Sparte sind. Er ist einmal mit Erfurter Radrennsportlern in Italien beim Training gewesen. „Da ziehen die Spezialisten die Eisschnellläufer mit.“

Die Deutschen profitieren noch von den „vielen Persönlichkeiten wie Claudia Pechstein, Anni Friesinger oder Monique Garbrecht-Enfeldt“, sagt Helmut Kraus, der deutsche Chef-Bundestrainer. Ab wenn die abtreten? Dann, fürchtet Achim Franke, der Trainer von Claudia Pechstein, „kommt nicht viel nach. Denn die Nachwuchsförderung ist in Deutschland einfach nicht gut genug.“

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