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Sport: Die Welt kennengelernt

IOC-Präsident Rogge glaubt, dass sich China verändert hat – und räumt eigene Machtlosigkeit ein

Rechtzeitig vor dem Ende der Spiele in Peking ist auch der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees wieder aufgetaucht. Hinter Jacques Rogge liegt eine Reise durch die Welt des Sports, er hat die olympischen Sportarten besucht, ist nach Hongkong zu den Reitern geflogen und nach Qingdao zu den Seglern, er hat Staatsmänner und Sponsoren empfangen. Dafür fehlte er manchmal an anderen Stellen, etwa als das Pekinger Organisationskomitee die öffentliche Deutung der Spiele vorgab. Da saß nur die Kommunikationschefin des IOC Giselle Davies auf dem Podium.

Doch am Schlusstag saß dort auch der Präsident. Er wirkte müde und zufrieden. Die Chinesen hätten die Athleten in den Mittelpunkt der Spiele gestellt, das ist einem mehrfachen Olympiateilnehmer wie ihm wichtig. Rogge erklärte den Sprinter Usain Bolt und den Schwimmer Michael Phelps zu Ikonen dieser Spiele und entdeckte auch sonst viel Positives. „China hat die Messlatte ziemlich hoch gelegt“, sagte Rogge und bescheinigte den Chinesen eine perfekte Organisation. Die Chinesen haben aber auch die Kontrolle über alles behalten. Und dass das IOC gegen bestimmte Entscheidungen machtlos war, das musste Rogge einräumen.

Es ging um die beiden Rentnerinnen, die zu einem Jahr Strafarbeit verurteilt worden waren, weil sie dagegen protestieren wollten, dass ihre Häuser wegen olympischer Baumaßnahmen abgerissen worden waren. „Wir haben mit den Chinesen darüber gesprochen“, sagte Jacques Rogge, „aber wir haben die chinesischen Gesetze zu akzeptieren.“ Zufrieden war der IOC-Präsident auch damit nicht, dass aus den angemeldeten Protesten keine wirklichen Proteste entstanden sind.

Etwas souveräner kam sich Rogge bei der Bekämpfung des Dopings vor. Sechs Dopingfälle gab es bei diesen Spielen. „Aber wir hatten schon vor der Eröffnung des olympischen Dorfes 39 Fälle“, sagte Rogge. Das sei ein Beleg für die Wirksamkeit der Kontrollen. Er bestand noch einmal auf seiner Kritik am Jubel Usain Bolts, der im 100-Meter-Rennen vor dem Ziel Tempo herausgenommen und statt voll durchzurennen einige Gesten gemacht hatte. „Ich habe ihm den väterlichen Ratschlag gegeben, mehr Respekt vor seinen Gegnern zu haben. Und dazu stehe ich auch jetzt noch“, sagte Jacques Rogge.

Im nächsten Jahr könnte er sich noch einmal für vier weitere Jahre als Präsident wählen lassen. Seine Entscheidung, ob er sich der Wahl stellt, werde er im Oktober bekannt geben. „Die Kritik an mir spielt dabei keine Rolle“, sagte der Belgier. „Ich nehme diese Kritik nicht persönlich.“

Gerade vor Beginn der Spiele schienen Präsident Rogge und dem IOC die Hoheit über die Spiele entglitten zu sein. Ein Beleg dafür war, dass die Chinesen keinen vollständig offenen Internetzugang für Journalisten im Hauptpressezentrum gewährten. Dazu sagte Rogge nun gestern: „Wir haben immer Druck auf China ausgeübt, den weitestmöglichen Zugang zum Internet zu bieten.“ Überhaupt glaubt er daran, dass diese Spiele China verändern werden. „Die Welt hat China kennengelernt, aber China hat auch die Welt kennengelernt.“ Das werde dazu beitragen, China weiter zu öffnen.

Wenn Rogge überhaupt ein kritisches Wort an die Chinesen richten wollte, dann hat er es sehr gut verborgen. Vielleicht war es dies: „China hat die Messlatte ziemlich hoch gelegt“, hatte Rogge gesagt, „aber ich glaube, dass London sie noch höher legen kann.“

Leitartikel Seite 1

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