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Sport: Die zwei Qualitäten

Hertha lobt sich selbst für die Moral, Rückstände aufzuholen – doch zu oft gerät das Team ins Hintertreffen

Berlin - Die ersten Verdienste, die sich Falko Götz als Angestellter von Hertha BSC erwarb, liegen ein paar Jährchen zurück. Damals begann er damit, die Nachwuchs- und Jugendarbeit beim Berliner Bundesligisten zu koordinieren; die heute erfolgreiche Arbeit des vereinseigenen Internats geht größtenteils auf seine Ideen und sein Wirken zurück. Man darf Falko Götz also unterstellen, dass er weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Wir haben gespielt wie eine Jugendmannschaft.“

Was in Duellen mit anderen Jugendmannschaften nicht ins Gewicht fallen muss, kann sich in der Bundesliga leicht als Wettbewerbsnachteil erweisen. Genau mit diesem Problem hat Falko Götz als Trainer der Profimannschaft in dieser Saison zu kämpfen. Der Kader ist auf Grund wirtschaftlicher Engpässe beinahe ausschließlich mit Kräften aus dem Nachwuchs angereichert worden. Wenn Manager Dieter Hoeneß das als bewusstes Handeln darstellt, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass Herthas Führungsspitze ganz bewusst die damit verbundenen Risiken eingegangen ist. Und so ist zu verstehen, warum die Kritik nach Spielen, die unreif vertrullert werden, vergleichsweise milde ausfällt. „Wir haben eine junge Mannschaft, deshalb müssen wir Geduld aufbringen“, sagte Hoeneß nach dem 3:3 gegen den Tabellenvorletzten Bochum.

Manager und Hoeneß mühen sich redlich, das Positive aus solchen Spielen zu ziehen, die man leicht hätte gewinnen können. Es wird dann – wie etwa gegen Bochum – die Moral gepriesen, die in der Mannschaft stecke, einen 1:3-Rückstand aufgeholt zu haben. Das ist eine Qualität. Über jene Qualität aber, die ebenfalls in der Mannschaft steckt, nämlich die, dass man gegen eine in fast allen Belangen unterlegene Mannschaft überhaupt derart in Rückstand gerät, wird gern geschwiegen. „Wir könnten es uns leichter machen“, sagte Hoeneß bloß.

Wie schon beim 2:2 am vergangenen Mittwoch in Bielefeld verstand es Hertha erneut nicht, eine Führung gegen eine spielerisch limitierte Mannschaft nach Hause zu bringen. Nach dem herrlichen Treffer Marko Pantelics zum frühen 1:0 stellte die Mannschaft gegen Bochum das zielstrebige, konsequente Fußballspielen ein. Falko Götz spricht von Schwankungen, denen seine Mannschaft unterliegt. „Wir zeigen in jedem Spiel, was wir können, aber wir haben auch immer wieder Böcke dabei.“ Gegen Bochum verschuldete Sofin Chahed (23 Jahre) zwei Gegentore, aber auch Kevin-Prince Boateng und Ashkan Dejagah vermochten nicht das zu zeigen, was sie imstande sind zu zeigen. Beide Mittelfeldspieler probierten Dinge, die in einem Bundesligaspiel nichts zu suchen haben. Götz: „Einige wollten nach dem 1:0 Zauberfußball spielen, aber haben dabei das vergessen, was dazu geführt hat, warum wir stark gespielt und in Führung gegangen sind.“

Dieter Hoeneß vertritt die These, dass das schnörkelhafte, mitunter selbstverliebt wirkende Spiel dem Talent geschuldet ist. „Wenn du ein paar dabei hast, die mit der Kugel ganz gut umgehen können, kann das passieren“, sagt er. Dann wolle der eine oder andere individuell zu viel. „Wenn man gut am Ball ist, will man es auch zeigen“, sagt Dick van Burik. Der mit 32 Jahren erfahrenste Herthaspieler sagt aber auch: „Man muss nur wissen, wann man was macht.“ Das einfache, gradlinige Spiel sei für trickreiche Burschen das Schwerste überhaupt. Bitter fügte der Schütze zum 2:3 hinzu: „Bei allem Respekt für Bochum, aber wenn man die Qualitäten beider Teams nebeneinander legt, musst du von zehn Spielen zehn gewinnen.“ Das 3:3 vom Samstag schrieb der Holländer aber nur zum Teil der Unerfahrenheit einiger Spieler zu, „es war auch Dummheit“. Talent zum Selbstzweck, um sich selber zu gefallen, bringe keinen Erfolg, sagte Falko Götz am Tag danach. Was aber solle er machen, „auch in der nächsten Woche wird der Kevin noch 19 Jahre alt sein“. Allerdings ist er für das nächste Spiel gesperrt. Er hatte sich gegen Bochum unnötigerweise die fünfte Gelbe Karte eingehandelt.

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