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Sport: DIETER THOMA RECHNET MIT SEINEN KRITIKERN AB: "Wir sind eben keine Suppenhühner"

Versöhnliches Olympia-Finale für die deutschen Skispringer: Silber im Team-WettbewerbVON SEBASTIAN ARLT NAGANO.Der Song, der die Zuschauer über Lautsprecher auf dem Abmarsch aus dem Skisprung-Stadion von Hakuba begleitete, paßte ins Bild.

Versöhnliches Olympia-Finale für die deutschen Skispringer: Silber im Team-WettbewerbVON SEBASTIAN ARLT NAGANO.Der Song, der die Zuschauer über Lautsprecher auf dem Abmarsch aus dem Skisprung-Stadion von Hakuba begleitete, paßte ins Bild.Louis Armstrong sang: "What a wonderful world ..." Nicht nur für die 60 000 überglücklichen Japaner war die Welt in Ordnung, nachdem ihre Springer-Mannschaft die von ganz Japan herbeigesehnte Goldmedaille gewonnen hatte.Strahlende Gesichter gab es auch bei den Deutschen, die sich vor dem Quartett aus Österreich die Silbermedaille gesichert hatten.Sven Hannawald, Dieter Thoma, Martin Schmitt und Hansjörg Jäkle feierten im Sprungauslauf gemeinsam mit den japanischen Springern Masahito Harada, Kazuyoshi Funaki, Hiroya Saito und Takanobu Okabe sowie den japanischen Fans. Für die Deutschen endeten die Spiele nun doch einigermaßen versöhnlich."Wir wollten nicht als Loser nach Hause kommen", sagte Bundestrainer Reinhard Heß.Im Vorfeld hatte Jens Weißflog, der vor vier Jahren bei Olympia in Lillehammer noch in der Gold-Mannschaft gestanden hatte, erklärt: "Die Titelverteidigung ist Utopie." "Jetzt kann man alles vergessen, was vorher über uns erzählt wurde", meinte Dieter Thoma und sprach damit auf bissige Kommentare an, die es nach dem dürftigen Abschneiden der deutschen Teilnehmer auf der Normal- und der Großschanze gegeben hatte.Thoma: "Wir sind eben keine Suppenhühner, sondern eben doch Adler".Man habe sich nach den Enttäuschungen zusammengerauft - "und jetzt sind wir über Silber überglücklich".Die Japaner seien einfach nicht zu schlagen gewesen. Der stärkste Gegner aller Springer war gestern jedoch das Wetter.Niemand hätte vor Beginn der Veranstaltung und später nach dem ersten Durchgang wohl einen größeren Betrag darauf gesetzt, daß das Mannschaftsspringen auch wirklich über die Bühne gebracht werden würde.Verschiebung, Unterbrechung - Nebel, Wind und starker Schneefall wechselten in schneller Folge.Weißflog sprach von einem "Würfelspiel".Mancher Springer mußte unter irregulären Bedingungen über die Schanze.Da dies allerdings bei jeder Mannschaft immer nur einen Springer traf, waren alle Teams gleich benachteiligt."Die Jury verdient ein großes Kompliment, daß sie das Springen trotz allem durchgezogen hat", sagte Heß, "es wäre ja auch zu schlimm gewesen, wenn man 60 000 Leute hätte nach Hause schicken müssen." Die deutschen Springer, die gerade nach den starken Leistungen bei der Vierschanzentournee mit großen Hoffnungen nach Japan geflogen waren, kehren nun doch noch mit einer Medaille dekoriert nach Hause zurück.Heß: "Das wäre ein Spießrutenlaufen geworden, wenn wir nichts geholt hätten." Ende gut, alles gut? Davon kann keine Rede sein, denn aus Gesprächen mit Reinhard Heß war eben doch herauszuhören, daß einige Dinge im Vorfeld vorgefallen waren, die für das Springer-Quartett eine optimale Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt vereitelten.Da ist zum einen die Terminansetzung der Deutschen Meisterschaften kurz vor Olympia.Dringend hätten die Springer "eine Pause zur psychischen Entlastung" (Heß) gebraucht.Aber da man sich im Deutschen Ski-Verband (DSV) einig war, daß die Stars auch bei der nationalen Meisterschaft starten sollten, fehlte den Springern einfach die Erholung. Gerade Sven Hannawald sei, so der Bundestrainer, von den ganzen Belastungen bei der Vierschanzentournee und der Skiflug-WM "am Ende" gewesen.Erst seit Sonntag, so gab Hannawald selbst zu, sei er vor allem psychisch wieder richtig fit.Da er obendrein endlich die Zeitumstellung verkraftet hatte, konnte er gestern wieder an seine hervorragenden Leistungen anknüpfen."Endlich war ich wieder ich selbst und konnte zeigen, was ich drauf habe." Spät, aber nicht zu spät. Viel zu spät kamen hingegen die neuen Anzüge, die die deutschen Springer bei den Einzel-Wettbewerben getragen hatten und mit denen die meisten überhaupt nicht glücklich waren.Viel zu knapp war die Zeit, sich an die neue "Haut" zu gewöhnen."Das war ein Riesenfehler mit diesen Anzügen", meinte Thoma verärgert.Für das Mannschaftsspringen polten er, Hannawald und Jäkle um und trugen wieder die alten Anzüge.Was mit einigen Problemen verbunden war."Zwei Stunden lang haben wir am Montag auf dem Fußboden gelegen, um die Herstellerlogos von den einen Anzügen abzumachen und an die anderen wieder zu befestigen." So etwas nennt man dann wohl optimale Wettkampfvorbereitung.

SEBASTIAN ARLT

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