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Diffusor-Streit: Grünes Licht fürs Wettrüsten

Die Diffusoren der Formel-1-Teams Brawn, Toyota und Williams sind legal – für die anderen wird es nun teuer. Sie müssen schnellstmöglich nachrüsten, um diese Saison mithalten zu können.

Berlin - Vielleicht wird dieser 15. April irgendwann einmal in den Chroniken der Formel 1 als jener Tag vermerkt werden, an dem sich die Weltmeisterschaft des Jahres 2009 entschied. Natürlich, es sind noch insgesamt 15 Rennen zu fahren, doch es scheint, als sei eine Vorentscheidung im Titelkampf bereits gefallen. Der WM-Führende Jenson Button bekam nach zwei Siegen zum Auftakt am Mittwoch weiteren Rückenwind, nachdem der sogenannte Diffusor-Streit mit einem Urteil in Paris endete und der Doppeldiffusor seines überlegenen Brawn-Wagens in letzter Instanz für legal erklärt wurde. Der Protest von Ferrari, BMW-Sauber, Renault und Red Bull wurde abgelehnt. Damit steht weiteren Alleinfahrten von Brawn GP nun nichts mehr im Weg – die nächste könnte sich schon an diesem Wochenende beim Großen Preis von China ereignen. „Wir sind froh über die Entscheidung. Damit ist die Sache abgeschlossen“, erklärte Teamchef Ross Brawn, der den Rennstall vor Saisonbeginn nach dem Ausstieg von Honda übernommen hatte.

Acht Stunden lang hatte sich das Berufungsgericht des Automobil-Weltverbands Fia mit der Frage beschäftigt, ob die Aerodynamik-Bauteile legal sind, die ein Auto pro Runde eine halbe Sekunde schneller machen sollen. Der Diffusor ist äußerst wichtig, um den Luftstrom unter dem Auto zu leiten, es auf diese Weise förmlich auf die Straße zu drücken und somit die Kurvengeschwindigkeiten zu erhöhen. Die Teams Brawn GP, Toyota und Williams hatten dabei das Reglement besonders weit ausgereizt und so den Unmut der Konkurrenz auf sich gezogen. Die Fia-Juristen erklärten diese Unterboden-Modelle nun für regelkonform; die drei Teams dürfen ihre Punkte aus den ersten beiden Rennen behalten.

Doch Kontroversen bleiben. So hatten unter anderem auch Renault und Red Bull vor der Saison an eine Doppeldiffusor-Lösung gedacht, dies aber nach einer abschlägigen Information der Fia wieder verworfen. Ohnehin stellte sich die Fia nicht besonders geschickt in dieser Frage an. Drei Wochen vor dem Saisonstart, als nach den ersten Testfahrten der Brawns allen Beteiligten die Brisanz des Themas klar war, vermied es der Weltverband, die Angelegenheit vollständig zu klären. Und ließ es damit zu, dass die Affäre die als Neuanfang deklarierte Saison belastete.

Außerdem ist wohl noch eine moralische Komponente im Spiel. Im Fahrerlager berichten Mitarbeiter hinter vorgehaltenen Händen von einem Gentlemen’s Agreement der Teams vor der Saison. In der Zusammenkunft einigte man sich demnach darauf, das Regelwerk in Sachen Diffusor nicht allzu krass auszulegen, um ein teures Wettrüsten zu vermeiden.

Doch während die Diffusor-Versionen von Toyota und Williams mit gutem Willen noch als grenzwertig erachtet werden könnten, soll ausgerechnet der Vorsitzende dieser Runde dieses Abkommen mit voller Wucht gebrochen haben: Ross Brawn. Wenn dies stimmt, ist verständlich, dass Ferrari-Anwalt Nigel Tozzi dem ehemaligen Mitarbeiter der Italiener „außerordentliche Arroganz“ vorwarf. Brawn blieb jedoch cool und erklärte, die Konkurrenz habe die Doppeldiffusor-Lösung schlichtweg verschlafen: „Es ist eine clevere Lösung, auf die jeder hätte kommen können.“ Was nun der Wahrheit entspricht, ist wie immer in der Formel 1 eher eine Frage der Ideologie als der Fakten. Klar ist aber zumindest eines: Das teure Aerodynamik-Wettrüsten, das in der neuen Discount-Formel-1 der Vergangenheit angehören sollte, wird nun einsetzen. „Diese Entscheidung führt dazu, dass nun sieben Teams große Investitionen tätigen müssen, um ihre Autos entsprechend umzubauen“, sagte BMW-Teamchef Mario Theissen. Und womöglich ist diese teure Mühe umsonst. Viele Rennställe rechnen erst zum fünften Saisonrennen in Barcelona mit einer eigenen Diffusor-Lösung. Und dann könnte sich Brawn schon fast uneinholbar abgesetzt haben. (mit dpa)

Christian Hönicke

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