zum Hauptinhalt

Doping im Biathlon: "Am Verdacht kommt man nicht vorbei"

Der Sportrichter Dirk-Reiner Martens spricht mit dem Tagesspiegel über die Anzeige gegen deutsche Biathleten. Er glaubt nicht, dass die Anzeige von konkurrierenden Sportlern kommen könnte.

Herr Martens, eine anonyme Strafanzeige beschuldigt deutsche Biathleten des Dopings. Kann eigentlich jeder einen Sportler wegen Dopings anzeigen?

Das kann jeder tun, er darf nur nicht falsch liegen, sonst macht er sich strafbar wegen Verleumdung, falscher Verdächtigung oder übler Nachrede.

Aber so lange er anonym bleibt, kann ihm doch sowieso niemand etwas anhaben?

Wenn er denn anonym bleibt. Derjenige, der im Fall Zumwinkel die CD-Rom an den Bundesnachrichtendienst weitergegeben hat, war auch anonym. Jetzt fordert er bereits Polizeischutz an. Also es ist immer die Frage, wie lange sich Anonymität wirklich aufrecht erhalten lässt.

Wie können sich denn die Athleten gegen solche Vorwürfe wehren?

Im Grunde können sie sich dagegen nicht wehren, höchstens mit einer Strafanzeige gegen Unbekannt. Zivilrechtlich könnten sie natürlich auch noch etwas unternehmen, wenn der Anzeigeerstatter feststeht. Sie könnten auf Schadensersatz wegen geschäftsschädigenden Verhaltens klagen. Aber es wird schwer für sie zu beweisen, dass ihnen tatsächlich Schaden entstanden ist. Die deutschen Biathletinnen schwimmen schließlich noch auf einer Sympathiewelle, und kein Sponsor wird wegen dieser Strafanzeige seinen Vertrag kündigen.

Die deutschen Biathleten wollen außerdem mit einer eidesstattlichen Erklärung ihre Unschuld bekräftigen. Thomas Bach, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds, hat gesagt, dass eine solche Erklärung für ihn mehr Gewicht habe als eine anonyme Strafanzeige. Für Sie auch?

Eine eidesstattliche Versicherung hat grundsätzlich durchaus Gewicht, denn wenn sie falsch ist, dann ist das eine strafbare Handlung. Allerdings tritt Strafbarkeit nur ein, wenn eine falsche eidesstattliche Versicherung vor einer zuständigen Behörde abgegeben wird. Die rein private eidesstattliche Versicherung hat also eher moralisches Gewicht.

Mit einer anonymen Strafanzeige könnte sich auch ein Sportler einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Er zeigt seinen härtesten Konkurrenten einfach vor der Meisterschaft an, die Medien stürzen sich auf ihn und seine Konzentration vor dem Wettkampf ist dahin.

Ich glaube nicht, dass das klappt, jedenfalls nicht bei den Spitzenathleten. Die schotten sich doch ab und lassen sich nicht stören. Die sind zu stark. Vielleicht tritt sogar der gegenteilige Effekt ein und sie sagen: Jetzt zeige ich es allen. Eine solche psychologische Kriegsführung wäre also in den wenigsten Fällen erfolgreich. Außerdem glaube ich nicht, dass eine Staatsanwaltschaft jede anonyme Anschuldigung ohne sachliche Grundlage bearbeiten wird. Die wird eher im Papierkorb landen.

Aber gehört es mittlerweile zum Berufsrisiko, wegen Dopings verdächtigt zu werden?

Das ist so. So verhält sich doch auch der Konsument am Fernseher. Er fragt sich bei Sportler X: Wie kommt sein Leistungssprung zustande, warum ist sein Kiefer so komisch vorgeschoben? Daran kommt man nicht vorbei. Aber es ist ja nicht so, dass ein Athlet etwa nach einer zweijährigen Dopingsperre verbrannt wäre. Grit Breuer hat ihre Sperre abgesessen und ist danach wieder ein Hero geworden mit Spitzenleistungen, wie immer sie auch zustande gekommen sind.

Sie haben als Schiedsrichter beim Internationalen Sportgerichtshof Cas auch die österreichischen Biathleten verurteilt, die 2006 bei den Winterspielen in Turin aufgeflogen waren. Auch in diesem Fall gab es keine positive Dopingprobe. Haben Sie aus dem Verfahren Erkenntnisse gewonnen, die sich im aktuellen Fall um die Wiener Blutbank und die deutschen Biathleten verwenden ließen?

Bitte verstehen Sie, dass ich dazu nichts sagen kann, weil ich als Richter dem Beratungsgeheimnis unterliege.

Dirk-Reiner Martens, 65, arbeitet als Rechtsanwalt in München und befasst sich vor allem mit Sportrecht. Er ist Schiedsrichter am Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne. Die Fragen stellte Friedhard Teuffel.

Zur Startseite