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Sport: Doping im schönen Sport - Zwei Fälle erschüttern die Läufer bei der WM in Nizza

Die Nachricht platzte mitten in eine unterhaltsame Gesprächsrunde, in der die deutschen Eiskunstläufer bester Laune und im Festtags-Outfit über ihre frohen Erwartungen bei den Weltmeisterschaften und ihre persönlichen Befindlichkeiten erzählten. Die Weltmeister gedopt?

Die Nachricht platzte mitten in eine unterhaltsame Gesprächsrunde, in der die deutschen Eiskunstläufer bester Laune und im Festtags-Outfit über ihre frohen Erwartungen bei den Weltmeisterschaften und ihre persönlichen Befindlichkeiten erzählten. Die Weltmeister gedopt? Wer? Bei uns im Eiskunstlauf? Kann nicht sein! Der deutschen Verbandspräsidentin schwante Unheil. Erschrocken fragte Angela Siedenberg die Medienvertreter: "Sie wollen doch nicht etwa Doping zum Thema in unserem schönen Sport machen?" Sie müssen - denn die Fakten vom ersten spektakulären Doping-Fall in dieser Sportart entzauberten nun auch den schönen Schein der bislang heilen Eiskunstlauf-Welt.

Die russischen Titelverteidiger im Paarlauf zogen am Sonntag einen Tag vor Beginn der Wettbewerbe ihre Meldung für den WM-Start in Nizza zurück. Elena Bereschnaja hatte erst dort erfahren, dass das IOC-Labor in Wien in der A-Probe ihrer Doping-Kontrolle nach ihrem Europameisterschaftssieg verbotene Substanzen festgestellt hatte. Die Internationale Eislauf-Union (ISU) erhielt die Mitteilung aus Wien vier Tage vor dem WM-Auftakt und informierte einen Tag danach den russischen Eislauf-Verband. Elena Bereschnaja (22), die mit ihrem Partner Anton Sichuralidse schon fleißig in Nizza trainierte, erklärte, sie habe die verbotene Substanz unabsichtlich in einem Medikament zur Behandlung einer Bronchitis eingenommen - und verzichtete danach freiwillig auf die Öffnung der B-Probe. Am kommenden Montag beschließt das ISU-Council die fällige Strafe gleich in zwei Fällen, denn neben dem prominenten Paar wurde in Nizza noch ein positiver Doping-Test bekannt: Im Urin von Ewgeni Swiridow, Partner der usbekischen Paarläuferin Natalia Ponomarewa, war bei den Vier-Kontinente-Meisterschaften in Osaka ebenfalls eine zur Kategorie der verbotenen Stimulanzien gehörende Substanz gefunden worden. Seine Erklärung: Er habe ein Medikament gegen eine Erkältung und Husten eingenommen. Swiridow muss wie Elena Bereschnaja mit mindestens drei Monaten Sperre rechnen. Die Meister trifft eine andere Strafe härter: Das Paar der Erfolgstrainerin Tamara Moskwina bekommt wohl den EM-Titel von Wien aberkannt.

Die Kunde löste bei deren Teamkollegen Maria Petrowa/Alexei Tichonow wenig Freude aus, obwohl sie nachträglich mit der Goldmedaille beehrt werden würden. Tichonow schüttelte betroffen den Kopf: "Das ist keine schöne Nachricht." Der St. Petersburger reagierte "total überrascht", räumte aber ein, dass es in Russland keine unangemeldeten Trainingskontrollen gibt. In Deutschland ist das anders: Der Berliner Paarläufer Mirko Müller berichtete von drei bis vier unangemeldeten Kontrollen pro Jahr, "in dieser Saison waren es zwei". Müller widmete sich aufgeschlossen der Brisanz des aktuellen Themas.

Sportdirektor Udo Dönsdorf schien vom aktuellen Fall aufgerüttelt und erklärte, dass Trainer und Aktive regelmäßig zum Thema Doping aufgeklärt werden. Mannschaftsarzt Stefan Prengle räumte mit dem schönen Glaubensbekenntnis auf, dass Doping im Eiskunstlauf mehr schade als nütze, weil die koordinativen Fähigkeiten gestört wörden. Dr. Pfrengle: "Es wäre einfach gelogen, zu behaupten, dass beispielsweise Anabolika in einer Kraft-Ausdauer-Sportart nichts bringen." Eiskunstlauf ist eine Kraft-Ausdauer-Sportart. Überrumpelt vom ersten Doping-Verdachtsfall stocherten die meisten Szenegänger in ihren Empfindungen irgendwo zwischen Glauben, Hoffen und Wissen.

Einer reagierte bloß mit einer Geste. Alexei Mischin, der Trainer des russischen Europameisters Ewgeni Pluschenko, fragte die Journalisten: "Sind denn Sie von dem Fall überrascht?" Als diese die Frage interessiert zurückgaben, hielt Mischin sich mit den Händen die Ohren zu und drehte sich mit einem vielsagenden Lächeln ab.

Jutta Deiss

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