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Doping-Vorwürfe: Ullrich schweigt weiter

Einen Tag nach dem positiven DNS-Abgleich will niemand mehr Jan Ullrich glauben - der 33-jährige Ex-Radstar schweigt trotzdem beharrlich weiter. Lediglich sein Anwalt legt sich noch gegen die Beschuldigungen ins Zeug.

Berlin - Jan Ullrich schweigt eisern - die internationale Presse aber fällt einen Tag nach dem positiven DNS-Abgleich des 33-jährigen Ex-Profis mit den Blutbeuteln aus der Madrider Klinik des mutmaßlichen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes ein eindeutiges Urteil. So stellte der italienische "Corriere della Sera" fest: "Ullrichs letzter Bluff aufgeflogen". Der "Tagesanzeiger" in Zürich riet dem tief gefallenen Toursieger von 1997: "Statt einen Meineid zu riskieren, müsste er auspacken".

Die Staatsanwaltschaft in Bonn wies Manipulations-Vorwürfe der Ullrich-Anwälte entschieden zurück. Zugleich wollte sie sich nicht auf einen Termin einer möglichen Anklage gegen den ehemaligen Kapitän des T-Mobile-Teams festlegen. Der ermittelnde Staatsanwalt Friedrich Apostel sagte, er habe "die große Hoffnung", das Verfahren vor Ende des Jahres abzuschließen. Aber es gebe vergleichbare Fälle, die dauerten zwei Jahre. "Es gibt keine Anhaltspunkte für Manipulation", sagte Apostel.

Vier Liter Blut "aus Jux und Tollerei"

Doping-Experte Werner Franke zeigte sich von Ullrichs Schuld überzeugt: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand viereinhalb Liter Blut in Konserven anlegen lässt aus Jux und Tollerei." Einer der Ullrich-Anwälte, Peter-Michael Diestel, sieht keinen Doping-Beweis. Im Fernsehsender N24 sagte er: "Vorausgesetzt, dass alles das stimmt, was jetzt ermittelt wurde, heißt das doch noch lange nicht Doping. Von mir kursiert auch Blut. Ich habe einen Arzt in Rostock, ich habe einen Arzt in Berlin, ich habe einen Arzt in wer weiß wo. Das heißt doch noch lange nicht, dass mit dem Blut manipuliert wurde, dass es für Dopingzwecke weiter verwendet wurde".

Ob ein mögliches Geständnis Ullrichs einen jetzt wahrscheinlicher gewordenen Strafprozess verhindern könnte, wollte Apostel nicht sagen: "Das würden wir mit den Anwälten regeln." Es hätten vor dem Bekanntwerden der Identität der Blutbeutel mit den Code-Namen "Jan", "Nummer eins" und "Rudis Sohn" Gespräche mit den Ullrich-Vertretern "zur Erledigung des Verfahrens" gegeben. Ob es dabei auch konkrete Angebote gab, gegen Zahlung einer Summe die Ermittlungen einzustellen, bestätigte der Staatsanwalt nicht.

Basso und Jaksche müssen Verfahren fürchten

Nach den neuesten Erkenntnissen liegt der Verdacht nahe, dass die von den spanischen Behörden den anderen verdächtigten Fahrern zugerechneten Codenamen ebenfalls stimmen. "Das legt der normale Menschenverstand nahe", sagte Apostel. Neue Sportgerichts-Verfahren könnten unter anderen auch Ivan Basso (Italien) und dem Ansbacher Jörg Jaksche blühen. Insgesamt wurden über 50 Radprofis verdächtigt, mit dem umstrittenen Mediziner illegal zusammengearbeitet zu haben. Bernhard Welten vom Schweizer Radsport-Verband bekräftigte seine Bemühungen um die Einleitung eines Sportgerichts-Prozesses gegen den Wahl-Schweizer Ullrich: "Natürlich machen wir trotz seines Rücktritts weiter. Ihm droht eine lebenslange Sperre für alle Tätigkeiten im Radsport unter UCI-Regie."

In einer ersten Reaktion erneuerte Weltverbands-Präsident Pat McQuaid seine Position, die Landesverbände zu weiteren Ermittlungen anzuregen. Durch die Ergebnisse aus Bonn seien neue Tatsachen geschaffen. "Jetzt ist die UCI dran. Ich bin sicher, da kommt was", sagte Hans-Michael Holczer, der Manager des Gerolsteiner-Team. Die Mannschaft aus der Vulkan-Eifel hatte wie weitere 14 ProTour-Formationen geschlossen der möglichen Verwertung von DNS-Proben ihrer Fahrer zugestimmt. Laut Holczer hätten nur 14 Fahrer aus fünf Teams nicht unterschrieben.

"DNS-Vergleiche richtig und notwendig"

T-Mobile-Kommunikationsleiter Christian Frommert forderte, dass sich auch die anderen verdächtigten Fahrer einem DNS-Abgleich unterziehen müssten: "Der Fall Ullrich zeigt, dass DNS-Vergleiche richtig und notwendig sind".

Die Anzeige gegen Ullrich in Bonn wegen Betrugs zum Nachteil seines Arbeitgebers hatten nicht die Mobilfunker, sondern die Rechtsprofessorin Britta Bannenberg gestellt. T-Mobile hatte sich mit dem am 21. Juli fristlos entlassenen Ullrich außergerichtlich geeinigt. Für den Rest des Jahres 2006 standen ihm laut Vertrag theoretisch noch geschätzte 1,1 Millionen Euro zu. Aus Ullrich-Kreisen war mehrfach kolportiert worden, der Profi hätte die gesamte Summe erhalten. (Von Andreas Zellmer, dpa)

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