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Biathlon: Angriff und Gegenangriff

Biathlet Wirth beeidet, dass ihn der heutige Cheftrainer Ullrich in der DDR zum Dopen anhielt.

Berlin - Die Aussagen waren deutlich. Es wird empfohlen „mit den Trainern Hinze, Bock und Ullrich kein festes Anstellungsverhältnis entstehen zu lassen, solange der gegen sie bestehende dringende Verdacht der persönlichen tatsächlichen Beteiligung an der systematischen Verabreichung von Dopingmitteln an Aktive nicht ausgeräumt ist“. Das schrieb das Geschäftsführende Präsidium des Deutschen Sportbundes (DSB) im Mai 1991 an den Deutschen Skiverband (DSV). Der Trainer Frank Ullrich wurde später zum Biathlon-Bundestrainer, er ist immer noch im Amt und betreut derzeit die deutschen Biathleten beim Weltcup-Finale in Chanty-Mansijsk in Sibirien.

Dass der frühere DDR-Assistenztrainer trotz dieser Empfehlung ins Amt kam, lag auch an einer zweistündigen Anhörung von Ullrich durch das damalige Nationale Olympische Komitee (NOK). Das NOK teilte am 28. Januar 1992 mit, „dass die Aussage von Frank Ullrich glaubwürdig erscheint, dass er mit Dopingfragen weder als Aktiver noch als Trainer direkt und mit eigener Kenntnis befasst gewesen sei“.

Der frühere Staffel-Weltmeister Jürgen Wirth, einer von Ullrichs Athleten zu DDR-Zeiten, hat nun mit einer eidesstattlichen Erklärung genau das Gegenteil erklärt. In dem Dokument steht, dass Ullrich ihn und andere Athleten angewiesen habe, das Dopingmittel Oral-Turinabol einzunehmen. Der Deutschen Presse-Agentur sagte Wirth, dass er diese Erklärung bei Gericht abgegeben habe. Sollte er gelogen haben, könnte er wegen Meineids bestraft werden. Ullrich bestreitet energisch alle Vorwürfe und kündigt an: „Ich werde gerichtliche Schritte einleiten.“

Das hatte ihm auch das DSV-Präsidium geraten, das gestern den Fall Ullrich/Wirth beraten hat. Er solle „die Möglichkeit einer Strafanzeige sowie einer zivilrechtlichen Klage gegen Herrn Wirth überprüfen lassen“. Die Vorwürfe stünden im direkten Gegensatz zu Wirths früheren Zeugenaussagen vor dem Landeskriminalamt aus dem Jahr 1991. Damals habe Wirth erklärt: „Für mich kann ich sagen, dass ich von dem (Frank Ullrich) nie diese Tabletten bekommen habe.“

Einer der Unterstützer von Ullrich ist der frühere DDR-Weltklassebiathlet Frank-Peter Roetsch. Von Ullrich habe er nie Dopingmittel erhalten, sagte der Doppel-Olympiasieger dem „Sportinformationsdienst“. Er habe sowieso nie unerlaubte Mittel erhalten. „Mit mir war Doping nicht zu machen.“

Wirklich nicht? Da sagen die Unterlagen des DDR-Sportmediziners Hans-Joachim Kämpfe allerdings etwas völlig anderes aus. Kämpfe war Forschungsgruppenleiter „Biathlon“ am Zentralinstitut des Sportmedizinischen Dienstes der DDR in Kreischa. Und er notierte für die Stasi feinsäuberlich die Dosen Oral-Turinabol, die an Kader-Biathleten der DDR ausgegeben wurden. „In den Phasen der höchsten Trainingsbelastung kam OT bis zu 10 mg/Tag zum Einsatz“, schrieb er. Und so kam der Biathlet Roetsch ausweislich der Unterlagen in der Saison 84/85 auf eine Gesamtdosis von 270 Milligramm Oral-Turinabol. Jürgen Wirth erhielt sogar 275 Milligramm.

Damit ist Roetsch als Entlastungszeuge eher unglaubwürdig. Ullrich war zwar erst seit 1987 Assistenztrainer der DDR-Nationalmannschaft, aber grundsätzlich wurden auch in dieser Zeit Dopingmittel vergeben. Und klar ist auch, dass Wirth Dopingmittel erhalten hatte. Ob von Ullrich, muss jetzt geklärt werden. Grundsätzlich sei es gängige Praxis gewesen, dass auch Assistenztrainer Dopingmittel an Athleten vergeben hätten. Immer dann nämlich, wenn der Haupttrainer nicht zur Verfügung gestanden habe. Das gehe aus den Aussagen vieler ehemaliger gedopter DDR-Sportler hervor, erklärt Birgit Boese. Die frühere Kugelstoßerin, selber ein Dopingopfer, hat diese Aussagen dokumentiert.

Für den renommierten Dopingexperten Werner Franke sind die Dementis von Ullrich wenig stichhaltig: „Das ist so etwas von lächerlich.“

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