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Blutdoping: Deutschem Sport droht neuer Doping-Skandal

Etwa 20 deutsche Sportler stehen nach Informationen der ARD unter Verdacht, in einem Labor in Wien Blutdoping betrieben zu haben. Es handele sich um Sportler aus den Bereichen Biathlon und Skilanglauf, die zumindest zum Teil zur Weltspitze gehören.

Insgesamt werden mindestens 30 Sportler als Kunden der Blutbank verdächtigt, darunter die Radsportler Georg Totschnig (Österreich), früher beim deutschen Gerolsteiner-Team, Michael Rasmussen (Dänemark), Michael Boogerd (Niederlande) und Denis Menchov (Russland). Totschnig bestreitet die erhobenen Vorwürfe.

"Die Hand ins Feuer kann man nie legen, weil man nicht 24 Stunden mit den Athleten zusammen ist. Aber ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass jemand aus unserer Mannschaft sich auf diese Weise einen Leistungsvorteil verschafft", sagte Biathlon-Bundestrainer Uwe Müssiggang.

Behle weist Verdächtigung zurück

Er hätte zum ersten Mal in der vergangenen Woche durch Zeitungsberichte von den Verdachtsmomenten erfahren und wisse ansonsten nichts. Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle hatte schon zuvor am Rand der Tour de Ski alle Verdächtigungen zurückgewiesen: "Leute wie Werner Franke denken, dass alle dopen, aber wir beweisen das Gegenteil. Unsere Erfolge sind sauber, ich lege für meine Sportler die Hand ins Feuer."

Michael Vesper, Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), zeigte sich hingegen besorgt: "Diese Meldung ist beunruhigend. Aber wir wissen nicht genau, ob sie zutrifft. Wir haben uns bei den österreichischen Behörden erkundigt, ob jemand und - wenn ja - wer aus Deutschland daran beteiligt ist und haben unsere Hilfe zur Aufklärung angeboten."

Auch der Kölner Doping-Analytiker Wilhelm Schänzer fürchtet erhebliche Folgen, falls die Informationen zutreffen: "Das wäre sicherlich ein weiterer Tiefschlag für den deutschen Sport." Er erkannte Parallelen zum Fall des spanischen Doping-Arztes Eufemiano Fuentes, bei dem viele Radsportler Kunden gewesen sein sollen: "Gerade im Ausdauerbereich macht Eigenblutdoping Sinn. Jetzt müssen die entsprechenden Daten auf den Tisch."

Das österreichische Gesundheits-Ministerium hatte zuvor bestätigt, dass es Ermittlungen gegen ein in Wien ansässiges Blutbank-Unternehmen eingeleitet habe. Nach Erkenntnissen der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada steht "Human Plasma" im Verdacht, Beihilfe zum Blutdoping geleistet zu haben. Staatssekretär Reinhold Lopatka bestätigte die Einleitung eines Verfahrens.

Schreiben von Dick Pound

Auslöser war laut dem Wiener "Kurier" ein Schreiben des damaligen Wada-Chefs Dick Pound an das Ministerium vom 23. November, in dem der Kanadier darauf hinwies, dass nach Wada-Informationen Sportlern in der Firma Blut abgenommen und in Blutplasma zum Zweck der Reinfusion umgewandelt werde. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Der amtierende Langlauf-Gesamtweltcupsieger Tobias Angerer bietet jede Zusammenarbeit mit den Dopingfahndern an: "Meinetwegen können die Kontrolleure mein Blut einfrieren und in zehn Jahren wieder auftauen. Es gibt nichts zu verbergen. Ich bin der Beste auf sauberem Weg, das spricht für den Sport." Gesamtweltcup-Spitzenreiter Axel Teichmann verwies darauf, dass die deutschen Sportler mit ihren unabhängigen Blutvolumenmessungen über das normale Maß hinaus den Antidopingkampf betreiben würden: "Es hat in unserem Sport wie in anderen Sportarten auch schwarze Schafe gegeben. Aber der Generalverdacht ist ungerecht."

Die Internationale Biathlon-Union IBU hatte in den letzten Tagen angekündigt, die bisher üblichen Grenzwerte für den Hämoglobingehalt im Blut abzuschaffen. Ein zu hoher Hämoglobinwert kann, aber muss kein Hinweis auf Blutdoping sein. Der Heidelberger Doping-Experte Werner Franke kritisiert den Plan als "Freifahrtsschein für alle Betrüger" und "Unfug." (mbo/sid/dpa)

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