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Stapleton

© dpa

Bob Stapleton: Reformer ohne Rückhalt

Auch T-Mobile-Chef Bob Stapleton hat eingesehen, dass der Radsport seine Vergangenheit nicht aufarbeiten wird.

Bob Stapleton ist eigentlich ein höflicher und offener Mensch. Es ist nicht seine Art, Leute warten zu lassen und so war es umso auffälliger, dass der T-Mobile-Macher sich anderthalb Stunden Zeit ließ, bevor er am Montag vor das schmucklose Holiday Inn an einem Autobahnzubringer in Gent trat, um die langsam ungehalten werdenden Reporter mit einem Statement zu bedienen. Stapleton hatte keine Lust auf dieses Gespräch, er hatte keine Lust, schon wieder auf irgendwelche Dopinggerüchte reagieren zu müssen.

Als er dann endlich vor die Kameras und Mikrofone trat, tat er dies freilich trotzdem mit der Professionalität, die man von einem hochrangingen Konzernmanager wie ihm erwarten darf. Er befürworte selbstverständlich jedwede Form des investigativen Journalismus, leitete er seinen Kommentar ein. Er sehe jedoch keine Veranlassung, aufgrund der aufgetauchten Dokumente über Doping im Team Mapei 2001 etwas gegen die Fahrer seiner Mannschaft zu unternehmen, die weiland bei Mapei unter Vertrag standen. „Seit Michael Rogers und Patrik Sinkewitz bei T-Mobile sind, ist ihr Verhalten vorbildlich. Das ist alles, was zählt.“ Sinkewitz hatte im vergangenen Jahr allerdings seine Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Arzt Michele Ferrari auf Geheiß seines Arbeitgebers beenden müssen.

Rückhaltlose Aufklärung von allem, was in der Vergangenheit war, erklärte Stapleton später, nachdem die Kameras abgeschaltet waren, interessiere ihn mittlerweile nicht mehr so sehr, wie dies vielleicht noch vor einem halben Jahr der Fall gewesen sei. „Die Operacion Puerto hat mir da eine Lektion erteilt. Die Widerstände dagegen, alles aufzuklären, sind einfach zu groß. Wichtiger ist es jetzt, dass wir nach vorne schauen.“

Stapleton hat sich offenbar damit abgefunden, dass man nicht ganz ohne das Personal der Vergangenheit und ohne den Glauben an die Wandelbarkeit des Individuums auskommt. So hat Stapleton etwa auch noch nicht Patrick Lefévère aufgegeben, den schwer belasteten Vorsitzenden der Vereinigung der Profi-Radteams, den Stapleton erst vergangene Woche als „Vertreter des alten Denkens“ bezeichnet hat. Pikanterweise war Lefévère auch der Chef des Mapei-Teams, dem Reporter der ARD jetzt systematisches Doping nachweisen wollen. „Wir wissen doch schon lange, dass es Doping bei Mapei gegeben hat“, sagt Stapleton dazu. „Aber die Mannschaft wurde aufgelöst. Das ist vorbei.“

Allerdings glaubt Stapleton, dass Lefévère noch immer zu wenig tue, um den Kampf gegen das Doping voranzubringen. Der ganze Reform-Prozess im Radsport gestalte sich viel zäher, als er sich das je gedacht habe. Aber Stapleton hat einen langen Atem auf dem Weg zu seiner Vision des Radsports der Zukunft.

Den braucht er allerdings auch. Denn der Radsport ist nach wie vor bis in seine Tiefen mit Hohepriestern des Dopings durchsetzt. „Wenn jetzt alle sagen, die Alten sollen alle raus (…), dann bleiben nicht mehr viele übrig“, sagte Rudy Pevenage der „Süddeutschen Zeitung“. Der Vertraute und ehemalige Trainer und Berater von Jan Ullrich forderte für sich eine „zweite Chance“ im Radsport. Gleichzeitig gab er Kontakt mit dem spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes zu. In das gleiche Horn wie Pevenage stieß der suspendierte Direktor des Teams Milram, Gianluigi Stanga, am Dienstag (die dritte Etappe war nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe beendet) gegenüber „L’Equipe“: „Wenn man mich verurteilt, muss man alle verurteilen.“

Stanga äußerte sich in dem Interview zu den Vorwürfen Jörg Jaksches, er habe 1997 beim Team Polti den deutschen Jungprofi persönlich in die Geheimnisse des Dopings eingewiesen. Er könne sich nicht erklären, so Stanga, warum Jaksche dies alles erfinde. Vielleicht, spekulierte er, seien einige Missverständnisse ja darauf zurück zu führen, dass Jaksche damals noch nicht so gut Italienisch gesprochen habe. Diese Missverständnisse will Stanga nun gerichtlich klären lassen: Er hat angekündigt, Jaksche zu verklagen.

Stanga, der unter anderem als Mannschaftsleiter bei Chateau d’Ax 1987 den Dopingarzt Ferrari beschäftigte, behauptete, er habe nie jemanden zum Dopen angeleitet. Sein einziger Fehler, so Stanga, sei es gewesen, dass er „die Augen vor dem Dopingproblem verschlossen“ habe“. Das war immerhin ein Ansatz von Selbsterkenntnis. Für einen echten Dialog mit Männern wie Stapleton erscheint es jedoch noch immer ein wenig dürftig.

Die vierte Etappe führt heute von Villers-Cotterets nach Joigny (193 km).

Sebastian Moll[Compiègne]

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