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Pechstein

© dpa

Der Fall Pechstein: Ein Bild vom Blut

Doping-Verdacht gegen Claudia Pechstein: Die Eisschnellläuferin gibt in Lausanne ein neues Wettkampfziel aus: einen Freispruch erster Klasse.

Eine Ausdauerleistung der anderen Art hat Claudia Pechstein hinter sich gebracht. Vier Stunden Verhandlung am Donnerstag und fast acht am Freitag. Als sie herauskam aus dem kleinen Château de Béthusy in Lausanne, in dem der Internationale Sportgerichtshof Cas residiert, atmete sie als erstes tief durch. „Das war ein ziemlicher Kraftakt, ein sehr anstrengender Termin mit vielen Leuten in einem kleinen Raum“, sagte sie. Und zum Ausgang des Verfahrens: „Es kann jetzt eigentlich nur einen Weg geben und das ist der für mich.“

Auf zwei Tage Sitzen und Reden werden jetzt jedoch einige Tage Warten folgen. Warten muss Claudia Pechstein beim Eisschnelllaufen allenfalls auf ihre Platzierung, bis alle Konkurrentinnen übers Eis gelaufen sind. Diesmal soll es bis mindestens Anfang, vielleicht aber auch bis Ende der nächsten Woche dauern, bis das Ergebnis fest steht, bis der Cas sein Urteil verkündet. Dann wird sie wissen, ob sie der Cas für eine Doperin hält oder für eine von der Internationale Eisschnelllauf-Union (ISU) zu Unrecht gesperrte Athletin.

Dass viel zu bereden war, zeigte auch der Zeitplan. Die geplante Mittagspause fiel aus, stattdessen wurden Sandwichs und Bananen in den Verhandlungsraum gereicht. Viereinhalb Stunden am Donnerstag und noch einmal siebeneinhalb am Freitag wurde diskutiert, und eine lange Zeit ging es dabei um Hämatologie, die Wissenschaft, die sich unter anderem mit Blutkrankheiten befasst.

Claudia Pechstein wollte für einen Freispruch erster Klasse kämpfen, das war ihr Wettkampfziel. Ihr Rechtsanwalt Simon Bergmann sagte daher: „Wir wollen einen Freispruch nicht nur aufgrund des Analyseverfahrens erreichen, sondern die natürliche Ursache für die Schwankungen im Blutbild diskutieren.“ Ein Sieg wegen Verfahrensfehlern wäre so, als ob alle Gegnerinnen disqualifiziert worden wären. Falsch zugeordnete Probenziffern, Schwankungen bei den Messergebnissen würden in der Öffentlichkeit nicht als Unschuldsbeweis ausreichen.

Um die falsche Zuordnung von Proben ging es in der Verhandlung auch gar nicht. Im Zentrum stand die Medizin. Zwei Treffer wollte die Verteidigung landen. „Wir haben zum einen aufgezeigt, dass bei ihr eine zweifache Mutation des Epo-Gens vorliegt“, sagte Anwalt Bergmann. Das könnte die erhöhten Retikulozytenwerte erklären, die bei Pechsteins Blutproben aufgetreten waren. Vor allem hatte die ISU dem offenbar nichts entgegen zu setzen, denn einen Experten auf diesem Gebiet konnte sie ISU nicht in Lausanne aufbieten.

Der andere Treffer soll eine Hämolyse sein, eine Anomalie im Blutbild. Die roten Blutkörperchen, Erythrozyten, haben nicht die übliche Lebensdauer, sondern zerplatzen früher, das will der Organismus mit der Produktion von neuen roten Blutkörperchen ausgleichen, den Retikulozyten. Eine Hämolyse durch einen Membrandefekt konnte bei Pechstein nicht gefunden werden, und auch für eine andere Form der Hämolyse gibt es nur Hinweise, aber keinen Beweis. „Die Sachverständigen konnten sich da nicht einigen“, sagte Bergmann.

Die ISU soll im Verfahren eingeräumt haben, dass zwölf weitere Athleten mit erhöhten Retikulozytenanteil aufgefallen sind, dazu wollte der Verband jedoch keine Stellung beziehen. Die Verbandsfunktionäre und Sachverständigen der ISU verließen die Verhandlung kommentarlos. Dafür fand Claudia Pechstein die Sprache wieder. „Ich bin schon froh, dass ich keine ernsthafte Krankheit habe“, sagte sie. Seit Juni war sie medizinisch untersucht worden. Jetzt hat sie wieder ein sportliches Ziel: die deutschen Meisterschaften in Berlin am nächsten Freitag und Samstag. Dort will sie starten, mit höchster richterlicher Genehmigung.

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