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Nach Doping-Prozess: Claudia Pechstein: In aller Eile

Eisschnellläuferin Claudia Pechstein darf trotz Dopingsperre beim nächsten Rennen starten. Das Schweizer Bundesgericht gab einem von ihr gestellten Eilantrag statt. Was bedeutet diese Wende?

Für ein Rennen wird am Freitag alles sein wie immer. Claudia Pechstein wird siebeneinhalb Runden auf dem Eis drehen und nach 3000 Metern wissen, wie gut sie dasteht im Vergleich mit der internationalen Konkurrenz. Doch es ist kein gewöhnlicher Start für sie beim Weltcup in Salt Lake City. Sie hat ihn sich juristisch erkämpft mit einem Eilverfahren vor dem Schweizer Bundesgericht. Und wenn man der 37 Jahre alten Berlinerin glauben darf, läuft bei ihr auch die Wut mit gegen den Internationalen Eislauf-Verband (ISU).

Der hatte sie wegen auffällig schwankender Blutwerte für zwei Jahre gesperrt. Für den Verband stand fest, dass Pechstein mit dem Blutdopingmittel Epo nachgeholfen hatte. Diese Sperre war der Beginn eines bisher einzigartigen Verfahrens. Noch nie zuvor hatte sich das internationale Sportrecht mit einem indirekten Dopingnachweis mittels Blutwerten beschäftigt, bisher musste für eine Sperre immer eine positive Dopingprobe vorliegen. Pechstein klagte sich hinauf bis zur höchsten sportgerichtlichen Instanz, dem Internationalen Sportgerichtshof Cas – ohne Erfolg. Nach einer zweitägigen Anhörung im Oktober und nach einer wochenlangen Wartezeit bestätigte der Cas Ende November die Sperre.

Einen Beweis für Pechsteins Schuld gibt es noch nicht – für ihre Unschuld jedoch ebenfalls nicht. Die Indizien, ein stark erhöhter und dazu schwankender Anteil der jungen roten Blutkörperchen, der Retikulozyten, genügte dem Cas. Es gebe keine plausible Erklärung für solche Blutwerte – außer Doping. So sahen es auch zahlreiche Wissenschaftler, die in den Anti-Doping-Kampf eingebunden sind. Zu hören waren aber auch Zweifel, dass ein Blutparameter nicht ausreiche für einen Schuldspruch und damit de facto ein zweijähriges Berufsverbot.

Das Vertrauen in die Sportgerichtsbarkeit habe sie längst verloren, das hatte Claudia Pechstein schon gesagt, als das Urteil des Cas noch auf sich warten ließ. Als es dann kam und gegen sie ausfiel, stand ihr nächster Schritt schon fest: hinaus aus der Sportgerichtsbarkeit und vor ein staatliches Gericht. Wer im internationalen Sport startet, unterliegt zwangsläufig erst einmal der Sportgerichtsbarkeit. Erst wenn Athleten oder Verbände das Urteil der höchsten sportgerichtlichen Instanz nicht akzeptieren, kommt ein Zivilgericht ins Spiel. Weil die ISU in der Schweiz sitzt, ist nun das Schweizer Bundesgericht für Pechsteins Fall zuständig. Viele internationale Verbände sind in der Schweiz ansässig, und deshalb sind vor dem Schweizer Bundesgericht schon einige Sportsachen gelandet. Nur hat das Gericht erst in wenigen Fällen zugunsten von klagenden Sportlern entschieden. In manchen Fällen wurde das Verfahren einfach noch einmal an den Cas zurückverwiesen. Das könnte auch im Fall Pechstein passieren.

Das Bundesgericht ist dennoch auch Pechsteins große Hoffnung, danach könnte sie nur noch eine Verletzung von Menschenrechten anklagen, worüber ihr Rechtsanwalt Simon Bergmann auch schon laut nachgedacht hat. Durch den indirekten Dopingnachweis sei schließlich die Unschuldsvermutung seiner Mandantin verletzt worden.

Auf einen endgültigen Entscheid des Bundesgerichts wollte Pechstein nicht warten. Sie muss sich noch sportlich qualifizieren, wenn sie an den Olympischen Spielen im Februar in Vancouver teilnehmen will. Ein Eilantrag beim Bundesgericht war deshalb die Folge. Der Sieg ist eine der wenigen Entscheidungen zu ihren Gunsten, seitdem ihr Dopingfall im Februar ins Rollen gekommen war.

Das Bundesgericht akzeptierte, „dass unter den gegebenen Umständen ein überwiegendes Interesse der Beschwerdeführerin daran besteht (…), dass sie an dem 3000-Meter-Eisschnelllauf-Weltcuprennen in Salt Lake City teilnehmen kann“. Pechstein hatte geltend gemacht, dass es ihre letzte Chance für eine Olympiaqualifikation sei, weil danach die Olympiamannschaft nominiert wird.

Dass dem Eilantrag stattgegeben wurde, sagt nichts über den Ausgang des Verfahrens. Das Gericht prüfte keine inhaltlichen Bedenken. Das ist Sache des Hauptverfahrens, das erst im nächsten Jahr stattfinden wird. Das Bundesgericht wird aber nicht noch einmal alle wissenschaftlichen Gutachten gegeneinander abwiegen. Es wird verfahrensrechtliche Mängel prüfen, etwa ob beide streitenden Parteien gleich behandelt worden sind, ob das Recht auf Gehör gewährt wurde. Genau das beklagen jedoch Pechstein und ihre Anwälte. Mehrere Gutachten seien nicht zugelassen worden, die Pechstein entlastet hätten. Gut möglich, dass auch nach dem letzten gerichtlichen Urteil immer noch keine Gewissheit darüber besteht, ob Claudia Pechstein nun gedopt hat oder nicht.

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