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Radsport in der Krise: Verschobene Rennen, geheime Kassen

Gegen das Team Nürnberger werden neue Vorwürfe laut. Ein Radprofi soll bei einem Dopingexperiment fast ums Leben gekommen sein.

Berlin - Es ist eine dramatische Geschichte, es geht um ein Dopingexperiment auf einer Massagebank und um einen Radrennfahrer, der dabei fast gestorben wäre. Die Frage ist nur: Stimmt sie? Die Geschichte geht so: Ein Pfleger gibt nach einem Rennen einem Profi des Teams Nürnberger, irgendwann zwischen 1999 und 2002, Doping- oder Aufputschmittel. Die Dosis ist grob kalkuliert, weil der Pfleger „ein bisschen experimentiert hat“. Der Fahrer verdreht die Augen, es sieht so aus, als würde er gleich sterben, regeneriert sich dann aber, wie auch immer. Und dann ist das Thema vergessen und wird verdrängt.

Diese Geschichte erzählt ein ehemaliger Betreuer des Teams Nürnberger. Er war im Fernsehen, in „Report Mainz“, als anonymer Zeuge gegen das Team und gegen Udo Sprenger, damals Teammanager. Sprenger, heute Vizepräsident des Bundes Deutscher Radfahrer, soll über schwarze Kassen Dopingmittel gekauft haben. Sprenger hat das zurückgewiesen. Aber „Report Mainz“ zeigte aus Zeitgründen nur einen Teil der Aussagen. Dem Tagesspiegel liegt das ganze Gesprächsprotokoll vor. Darin steht auch die Geschichte mit dem Experiment.

Dieter Burkhardt klingt fassungslos, als er die Geschichte hört. Burkhardt war damals Geschäftsführer des Teams. „Das ist mir völlig neu. Ich halte mittlerweile nichts mehr für unmöglich, aber eines weiß ich bestimmt: Beim Team Nürnberger sind nie mit Wissen der Teamführung oder des Teammanagers Dopingmittel gekauft oder verteilt worden.“

Noch eine Aussage aus dem Protokoll: Nürnberger-Profis hätten sich nach Rennen, „öfter“ in Toiletten Dopingmittel gespritzt. Zuvor hätten sie sich „ihre Rationen abgeholt“. Für Burkhardt sind das „Lügen“. Auch Uwe Raab sagt: „Ich weiß nicht, was abends auf den Zimmern los war, aber ich kann sagen, dass weder Sprenger noch sonst jemand aus der Teamführung jemals Doping bei Nürnberger gebilligt oder verlangt hat.“ Raab war jahrelang Sportlicher Leiter des Teams. Für ihn sind die Vorwürfe „absolut falsch“.

Einer dieser Vorwürfe lautet: Ein Teil der Startgelder fürs Team sei in den schwarzen Kassen verschwunden. So dass die Ausgaben für die Dopingmittel nicht in den Büchern auftauchten. Oder Geld sei durch Absprachen bei Rennen geflossen. „Wir haben jedes Startgeld quittieren müssen“, sagt Burkhardt. „Wie sollen wir da Geld abzweigen?“

Und Absprachen? „Blödsinn“, antwortet Raab. Dass bei Kirmesrennen der Sieger oft vorab festgelegt wird, ist ein offenes Geheimnis. „Aber bei UCI-Rennen, bei denen es um Punkte geht, gab es keine Absprachen“, sagt Raab. Burkhardt meint: „Es kann sein, dass sich einzelne Fahrer abgesprochen haben.“ Doch sein Team habe sicher nie freiwillig auf einen Sieg verzichtet. „Wir waren doch froh über jeden Erfolg, weil wir dann unseren Sponsoren etwas bieten konnten.“

Betreuer des Teams, noch ein Vorwurf, seien vor Rennen nach Belgien und Holland zu Apotheken gefahren, um dort Mittel zu holen, die in Deutschland ohne Arzt nicht zu bekommen gewesen seien. „Wir hatten holländische und belgische Pfleger“, sagt Raab, „aber das waren Aushilfskräfte für einzelne Rennen, bezahlt mit einer Tagespauschale. Wir haben nie Dopingmittel gekauft.“ Burkhardt: „Das muss man sich mal vorstellen: Da sollen wir in voller Kriegsbemalung mitten auf einem Marktplatz gehalten haben, um Dopingmittel einzuladen? Also, diese Vorstellung ist doch geradezu irrsinnig.“

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