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Ohne Namen zu nennen, berichtete der frühere Torjäger Dieter Schatzschneider über die angeblich gängige Praxis zu seiner aktiven Zeit mit dem Aufputschmittel

© dpa

Dopingvorwürfe von Schatzschneider: „Überall, die Viecher“

Immer wieder gab es Berichte über angebliches Doping im deutschen Fußball der 1980er Jahre. Nun hat Ex-Stürmer Schatzschneider besonders deutlich über gängige Praktiken mit dem Aufputschmittel Captagon berichtet. Das Mittel sei ganz bewusst genommen worden.

Erstaunlich launig und offen hat in Dieter Schatzschneider ein weiterer Ex-Bundesligaprofi Doping im Fußball der 1980er Jahre als allgegenwärtig bezeichnet. „Ich habe es nicht genommen, aber ich weiß: Es wurde gedopt“, sagte der frühere Bundesligastürmer von Hannover 96, Schalke 04 und des Hamburger SV am Donnerstag dem Radiosender NDR Info: „Ich weiß das noch ganz genau. Mir soll keiner erzählen, dass das nicht bekannt war mit dem Captagon. Da müssten ja alle im Westen völlig verblödet sein.“ Ohne Namen zu nennen, berichtete der frühere Torjäger über die angeblich gängige Praxis zu seiner aktiven Zeit mit dem Aufputschmittel, das bereits seit 1972 auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) als verbotenes Präparat geführt wird. „Das haben Fußballer halt damals genommen. Die flogen manchmal durch den Bus, die flogen manchmal unter der Toilette durch. Die waren überall die Viecher“, erzählte der heutige Berater von Hannover 96. „Das war gang und gäbe. Selbst die Ärzte haben das gegeben oder verschrieben.“

Die Reaktion auf Schatzschneiders Aussagen ließ nicht lange auf sich warten, obwohl der 55-Jährige niemand konkret beschuldigt hatte. Ex-Nationalspieler Klaus Allofs, der zuvor bereits beteuert hatte, während seiner aktiven Zeit - zeitlich nahezu identisch mit Schatzschneiders Karriere - nichts von Doping mitbekommen zu haben, wiederholte am Donnerstag noch einmal: „Ich bleibe lieber bei der Wahrheit und die lautet: Es wurde nicht gedopt.“ Überhaupt stehen Schatzschneiders Aussagen im Kontrast zu denen prominenter Ex-Fußballer wie Bernd Schuster, Rudi Völler, Wolfgang Overath oder Uwe Seeler. Die früheren Nationalspieler hatten auch erklärt, von Doping zu ihrer Zeit nichts mitbekommen zu haben, nachdem in der Studie „Doping in Deutschland von 1950 bis heute“ auch über mögliche Vergehen im deutschen Fußball, speziell bei der WM 1966, berichtet worden war. Genau dies hatten Overath und Seeler als WM-Teilnehmer von 1966 zurückgewiesen. Overath hatte Doping zu seiner Zeit als „völlig abwegig“ bezeichnet und Seeler erklärt: „Ich habe auch nicht gedopt, ich kenne auch keinen, der gedopt hat.“ Rund 20 Jahre später sei bewusstes Doping laut Schuster zwar auch kein Thema gewesen, „Irgendwelche Sachen haben dir die Ärzte und Physios aber immer gegeben“, hatte der Coach des FC Málaga in dieser Woche „Sport Bild Plus“ gesagt: „Da hast du nicht nachgefragt, was du da bekommst.“ Genau dies bestreitet Schatzschneider nun aber deutlich. „Das haben die Spieler eigenverantwortlich genommen, weil sie meinten, sie wären dadurch leistungsbereiter und könnten länger laufen“, sagte der heute 55-Jährige.

Berichte über angebliches Doping im deutschen Fußball der 1980er Jahre sind nicht neu. Bereits vor 26 Jahren hatte der damalige Nationaltorhüter „Toni“ Schumacher in seinem Buch „Anpfiff“ behauptet, Doping sei in der Bundesliga gang und gäbe. Darauf war er von Teamchef Franz Beckenbauer aus der DFB-Elf geworfen worden.

Auch Ex-Torhüter Jens Lehmann hatte später angedeutet, Doping zu jener Zeit mitbekommen zu haben. Trainer Peter Neururer bezeichnete vor einigen Jahren speziell die Einnahme von Captagon in den 1980er Jahren als „gang und gäbe“. Zuletzt erklärte auch Ex-Weltmeister Paul Breitner Doping als „Thema im Fußball“ der damaligen Zeit.

So offen und bereitwillig Auskunft über angeblich gängige Praktiken wie nun Schatzschneider gab aber seit Schumacher 1987 niemand mehr. Der frühere Stürmer beteuerte indes, selbst „dieses Zeug nie, nie genommen“ zu haben. Auch wenn er Doping als „nicht fair“ bezeichnete, „weil ich finde, das Zeug hat im Sport überhaupt nichts zu suchen“ - richtig fragwürdig fand Schatzschneider die von ihm beschriebene Praxis wohl auch nicht: „Das habe ich aber als nicht schlimm empfunden und die Typen, von denen ich weiß, dass sie was genommen haben, die leben heute auch noch.“ (dpa)

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