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Hat was zu sagen: Kaweh Niroomands Worte haben Gewicht.

© Andreas Gora/dpa

DOSB-Vizepräsident Kaweh Niroomand: „Olympia in Berlin wäre ein Magnet“

Im Interview spricht Kaweh Niroomand über eine Berliner Olympia-Bewerbung für 2032 oder 2036, Parallelen zu „Fridays for Future“ und die Kraft des Sports.

Von Johannes Nedo

Kaweh Niroomand, 67, ist Manager der BR Volleys und Sprecher der sechs großen Berliner Profiklubs. Seit 2018 ist er Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Herr Niroomand, Ihr Lieblingssport ist der Volleyball. Am Wochenende wurden die Olympia-Qualifikationen ausgespielt, doch die deutschen Frauen und Männer haben es knapp verpasst.
Beide Mannschaften, Frauen wie Männer, haben ein starkes Qualifikationsturnier gespielt und sind am Ende jeweils im Finale gescheitert. Darin liegt schon eine gewisse Tragik, denn die nächste Chance auf Olympische Spiele gibt es bekanntlich erst wieder in vier Jahren. Aber nicht nur für die Spielerinnen und Spieler tut es mir leid. Gerade das Turnier in Berlin war für die deutsche Volleyball-Familie auch ein organisatorischer Kraftakt, für den man sich sportlich leider nicht belohnen konnte.

Andererseits herrschte in der Max-Schmeling-Halle beim Turnierfinale der Männer hervorragende Stimmung unter den fast 7000 Zuschauern. Bestätigt Sie das darin, dass Olympische Spiele eines Tages auch in Berlin möglich sein könnten?
Es hat tatsächlich einmal mehr gezeigt, wie groß die Sportbegeisterung in unserer Stadt ist. Wir erleben in Berlin ja immer wieder, dass wir mit großen Sportveranstaltungen die Menschen begeistern können. Wenn diese erst mal da sind, sind auch die Leute voll dabei.

Für die nächsten möglichen Olympischen Spiele in Deutschland hat sich bislang nur die Initiative aus Nordrhein-Westfalen für 2032 positioniert. Wann wäre Olympia für Berlin aus Ihrer Sicht wieder interessant?
Der gesamte Diskussionsprozess steht erst am Anfang. Es gibt zahlreiche Faktoren, die dabei betrachtet und bewertet werden müssen. Zunächst einmal ist zu klären: Wer will sich tatsächlich bewerben? Bis auf Nordrhein-Westfalen hat sich noch niemand definitiv geäußert. Nordrhein-Westfalen ist unterwegs, aber das heißt keineswegs, dass andere, zum Beispiel Berlin, nicht nachfolgen können.

Wäre eine Olympia-Bewerbung für Berlin 2032 noch möglich? Oder eher 2036?
Ich kann mir beide Jahre für Berlin vorstellen. Das markantere Datum ist sicherlich 2036. National wie international gibt es viele Menschen, die dieses Datum befürworten, weil Deutschland damit 100 Jahre nach Hitlers Spielen zeigen kann, dass es heute ein anderes Land ist – demokratisch, multikulturell und weltoffen. Andererseits gibt es auch Stimmen, die befürchten, dass rechte Gruppen ein solches Datum zum Anlass nehmen könnten, die Spiele von 1936 zu glorifizieren und große Aufmärsche zu veranstalten.

Sie wären also eher gegen 2036?
Das Wichtigste für mich ist: Wir als Berliner müssen erst einmal eine Diskussion über Olympia in unserer Stadt in Gang setzen. Ein Aspekt dabei wäre die Frage: Welches Datum wollen wir? In diesem Diskussionsprozess gibt es jedoch noch viele andere und auch wichtigere Aspekte.

Welche wären das?
Vor allem müssen Olympische Spiele in Berlin einen vernünftigen Ansatz haben. Sie dürfen auf gar keinen Fall eine zweiwöchige Mega-Show sein, deren finanzielle Konsequenzen danach die Bevölkerung zu tragen hätte. Olympia muss als eine großartige Chance für die Weiterentwicklung unserer Stadt gesehen werden.

Warum?
Derzeit wird viel über Transformation und unseren Weg in die Zukunft diskutiert. Und leider sieht man den Sport fälschlicherweise außerhalb dieser Diskussion. Dabei könnten der Sport und Olympische Spiele die Schrittmacher dieser Entwicklung sein. Der Sport greift in so viele Bereiche der Gesellschaft als horizontale Idee hinein – beispielsweise bei Gesundheit, Städtebau oder Verkehr.

Was würde das für eine Olympia-Bewerbung heißen?
Wenn man alle diese Punkte als Grundlage nimmt und fragt: Was muss unsere Stadt eigentlich heute auf den Weg bringen, damit sie in zwölf oder 16 Jahren lebenswert ist? Dann kommt man bei der Antwort nicht um den Sport herum, der enorm viel zu diesem Transfer beitragen kann. Olympische Spiele am Horizont könnten dabei wie ein Magnet wirken, um diese Entwicklung einzuleiten und ihr ein greifbares Ziel zu geben. All die kontrovers diskutierten Themen wie Gesundheitswesen oder Infrastruktur könnte man doch, wenn man diese mit einer Idee und Vision verbindet, viel positiver besetzen. Der Sport kann also ein kraftvoller Antriebsmotor für die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt sein.

Allerdings hat Olympia bei der Berliner Bevölkerung und der Landesregierung derzeit keine positive Magnetwirkung.
Das stimmt – noch. In der aktuellen Regierungskoalition wird Olympia mehrheitlich zunächst mit Gigantismus, Verschwendung und Korruption verbunden. Und die Sportverbände haben in der Vergangenheit ja leider auch dazu beigetragen, dass man so denkt.

Hinzu kommt die Debatte um das russische Staatsdoping.
Darauf gibt es nur eine Antwort: Die Bestrafung muss viel konsequenter sein und auch zivilrechtliche Konsequenzen haben, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Außerdem sollte sich der Sport nicht selbst kontrollieren. Aber all diese Punkte müssen uns doch umso mehr motivieren, es besser zu machen und uns eine große Frage zu stellen.

Welche ist das?
Warum können wir nicht gerade in einem so fortschrittlichen Land wie Deutschland und einer weltoffenen Metropole wie Berlin beweisen, dass man Olympia in den Dienst einer Landes- und Stadtentwicklung stellen kann? Ich bin überzeugt davon, dass der Sport bei diesem wichtigen Thema sowohl eine treibende Kraft als auch ein verbindendes Element sein kann.

Wie könnte man das schlechte Olympia-Image in Berlin drehen?
Auf keinen Fall darf eine solche Bewerbung ein Diktat einer Landesregierung und der Politik sein. Vielmehr muss die Idee wie eine Bürgerinitiative aus der Basis hervorkommen. Die nachhaltige und gesunde Entwicklung der Stadt muss immer im Vordergrund stehen. Nur auf diese Weise kann man die Bevölkerung überzeugen, dass der Weg über den Sport der richtige ist. Man muss den Menschen zeigen, dass Olympia für unsere Stadt kein einmaliges und kurzzeitiges Großereignis ist, sondern der Weg dahin viel Gutes mit sich bringt, wovon Berlin auch nach dem Ende der Spiele noch für lange Zeit profitieren kann.

Trotzdem gibt es dann immer noch die Frage der Finanzierung.
Die Frage, ob wir uns Olympia leisten können, wird sich so gar nicht stellen. Wir müssen ja sowieso in die Zukunft der Stadt investieren, um diese für künftige Generationen weiterhin lebenswert zu machen. Vieles von dem, was die Jugend und Initiativen wie „Fridays for Future“ fordern, ist doch ein Teil dieser Entwicklung. Wenn die Bevölkerung von der Olympia-Idee überzeugt ist, werden auch die Politiker begreifen, dass man sich nicht gegen diese zivilgesellschaftliche Bewegung stellen kann.

Wie wollen Sie das in Gang bringen?
Wir müssen sicherlich viel Überzeugungsarbeit leisten und unseren Ansatz erklären, um das Image von Olympia in den Köpfen der Berlinerinnen und Berliner zu verändern. Dabei müssen wir die positiven Aspekte des Sports viel stärker herausstellen: Respekt, Diversität, Gerechtigkeit. Vor allem aber müssen wir die damit verbundenen Chancen für unsere Stadt aufzeigen.

Aber wie wollen Sie konkret vorgehen?
Wir müssen die Experten und Gruppierungen für die wichtigsten Bereiche unserer Stadtentwicklung mobilisieren. Wir haben schon bei der letzten Berliner Bewerbung 2014, die ich ja mit begleitet habe, gesehen, dass sogar bei den kritischen Organisationen die Bereitschaft vorhanden ist, darüber nachzudenken, wie man Olympia anders entwickeln und nutzen kann. Diese Diskussion sollte in der Stadtgesellschaft während der nächsten Wochen und Monate intensiv geführt werden.

Gibt es eine Deadline für eine 2032er-Bewerbung?
Nein, die veränderte Prozedur beim IOC lässt die Zeitspanne für eine Bewerbung offen. Aber ich gehe davon aus, dass man sich bis spätestens 2021 äußern muss, wenn man sich bewerben will. Weil wir ein Konzept wollen, das aus der Stadtgesellschaft entspringt, reden wir demnächst mit deren wichtigsten Vertretern – und aus all diesen Meinungen werden wir unser Konzept gemeinsam entwickeln.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) ist hinsichtlich einer Berliner Bewerbung zurückhaltend, besonders nach dem Scheitern 2014 und für Olympia 2000.
Der DOSB ist zu Recht vorsichtig und dies nicht nur bei Berlin, eben weil man in der Vergangenheit schon einige Rückschläge einstecken musste. Beim DOSB befasst man sich mit diesem Thema jedoch schon seit längerer Zeit. Auch IOC-Chef Thomas Bach nahm bereits zweimal an Präsidiumssitzungen teil, und dabei kam Olympia in Deutschland natürlich zur Sprache. Selbstverständlich setzt sich der DOSB auch mit der Frage auseinander, wo die besten Voraussetzungen für eine Bewerbung existieren.

Derzeit hat Nordrhein-Westfalen sehr gute Voraussetzungen dafür geschaffen, im Gegensatz zu Berlin.
Ja, Nordrhein-Westfalen ist schon sehr weit in seiner Konzeption. Aber wenn sich Berlin zu Olympia bekennt – was ich hoffe, dann wird man sich beim DOSB zusammensetzen und alle wichtigen Kriterien einer Bewerbung ausloten.

Aber Berlin braucht dafür auch die Unterstützung vom Land und vom Bund.
Ja, ohne diese Unterstützung geht es nicht. Die Bundesregierung ist zurzeit dabei, eine langfristige Strategie für Sport-Großveranstaltungen zu entwickeln. Dafür ist im Bundesinnenministerium eine Arbeitsgruppe gegründet worden, was ich als sehr positiv bewerte. Positiv ist auch, dass Innenminister Horst Seehofer auf der DOSB-Mitgliederversammlung einen Masterplan für die Entwicklung der Sportstätten angekündigt hat. Dieser Plan kann zusammen mit einer Olympia-Bewerbung so viel für so viele Menschen verbessern.

Warum fasziniert Sie die Idee von Olympischen Spielen in Berlin so sehr?
Weil ich möchte, dass die sozial-gesellschaftliche Kraft des Sports in unserer Gesellschaft besser realisiert wird. Ich bin fest davon überzeugt, eine gerechte Gesellschaft kann man besonders über den Sport erreichen. Olympische Spiele sind dafür ein riesiger Katalysator.

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