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Sport: Drama auf Eis

Das begeisternd aufspielende Nationalteam verpasst beim 1:2 gegen Favorit Russland nur knapp das Finale

Es hat zu einer weiteren eindrucksvollen Vorstellung gereicht, zu einer weiteren Überraschung aber nicht. Die Eishockey-Nationalmannschaft quälte bei der Weltmeisterschaft in Deutschland im Halbfinalspiel den Favoriten Russland bis kurz vor Schluss. Erst in der vorletzten Minute gelang Pawel Dativus das Siegtor für den Weltmeister. Die Deutschen verloren deshalb 1:2 (1:0, 0:1, 0:1) und spielen nun am Pfingstsonntag (16.15 Uhr, live in Sport 1) um Platz drei gegen Schweden, die Russen spielen am selben Tag im Finale gegen Tschechien.

Es sagt sehr viel, wenn nach einer Partie zwischen Russland und Deutschland der russische Torwart als bester Akteur seines Teams ausgezeichnet wird. Es war unglücklich, ein Scheitern in einem ausgeglichenen Spiel, in dem das deutsche Team wieder einmal bewies, auf welch gutem Wege es ist. Es hat sich eben etwas geändert an der Mentalität der deutscher Eishockeyprofis. Sie wollen gewinnen, auch gegen einen Gegner von der Qualität der Russen, und nicht nur gut mitspielen. Als Mannschaftskapitän Marcel Goc gefragt wurde, wie groß er den historischen Stellenwert des Turniers einschätze, sagte der Profi von den Nashville Predators, dass ihm das völlig egal sei: „Wir haben sehr gut gespielt, aber wir sind jetzt sehr frustriert. Es ist bitter.“ Niemand habe in der Mannschaft etwas davon, dass man die Kölnern erhobenen Hauptes verlassen könne. „Da war mehr drin.“

Knapp gescheitert, aber Sympathien gewonnen: So wie 2006 die Fußballer bei der Heim-WM im Halbfinale gegen Italien. Dabei hatte die Fußball-Nationalmannschaft noch mentale Unterstützung nach Köln gefaxt: „Heute ist Deutschland Eishockeyland“, stand auf dem Papier, das alle Spieler von Fußball-Bundestrainer Joachim Löw unterschrieben hatten. Es half nicht. Eishockey-Bundestrainer Uwe Krupp wirkte zwar nach der Niederlage gegen das zurzeit wohl beste Team der Welt enttäuscht, sagte aber auch: „Wir haben noch einmal bewiesen, was für große Fortschritte wir gemacht haben und hatten den Gegner nahe an einer Niederlage.“

Tatsächlich war es ein ebenso gutes wie dramatisches Spiel, in dem die deutsche Mannschaft sogar im ersten Drittel Regie geführt hatte. Die Russen hatten dem Gegner durch ihre Undiszipliniertheit dabei geholfen. Nikolai Kulemin erhielt nach einem Bandencheck an Korbinian Holzer eine Spieldauerstrafe. In der fünfminütigen Überzahl zogen die Deutschen ein vernünftiges Powerplay auf, was belohnt wurde: Christian Ehrhoff schoss von der blauen Linie auf das russische Tor, Torwart Wasili Koschekin konnte nur abprallen lassen, was Marcel Goc zu einem erfolgreichen Torschuss nutzte.

Die Spieler des Weltmeisters hatten Probleme mit der Spielkultur des Gegners. Die Deutschen waren in den Zweikämpfen engagierter. Bezeichnend dafür die Szene, in welcher der Düsseldorfer Daniel Kreutzer Gegenspieler Alexander Owetschkin aus dem Weg schob, als sei der russische Star ein lästiger Juniorenspieler. Bei deutscher Unterzahl hatte Felix Schütz im zweiten Drittel nach einem Konter die Chance, auf 2:0 zu erhöhen. Doch er vergab die Vorentscheidung und nach 32 Spielminuten war die deutsche Führung dahin. Jewgeni Malkin traf zum 1:1. Der bis dahin gute Torwart Rob Zepp von den Berliner Eisbären, von Bundestrainer Uwe Krupp überraschend anstelle von Dennis Endras aufgeboten, hatte keine Abwehrchance.

Krupps Mannschaft forderte die Russen weiter, die 18 734 Zuschauer wurden prächtig unterhalten. 110 Sekunden vor Schluss aber wurde dann Philip Gogulla zur tragischen Figur der deutschen Mannschaft: Nach einem Puckverlust von Gogulla startete der russische Konter, der zum Tor durch Datsiuk führte.

Russlands Trainer Wjatscheslaw Bykow, ansonsten nicht für mimische Anstrengungen zu haben, lächelte nach dem Spiel ausnahmsweise. Es war ein Lächeln der Erleichterung. Bykow sagte: „Die Deutschen spielen mit sehr viel Herz.“ Er habe erwartet, dass es so schwer werden würde. Schwerer vielleicht für die Russen als heute im Finale gegen die Tschechen, die im zweiten Halbfinale Schweden 3:2 nach Penaltyschießen bezwingen konnten, nachdem sie erst sieben Sekunden vor der Schlusssirene einen Rückstand ausgeglichen hatten. Aber auch das Lob der Russen dürfte die Deutschen nach der verpassten Sensation nicht trösten – ein Sieg im Spiel um Platz drei gegen Schweden dagegen schon. Zum Abschluss einer für die Deutschen insgesamt hervorragend verlaufenen Weltmeisterschaft.

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