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Sanft hinausgeleitet. Tony Martin wird von seinen Teamkollegen eskortiert. Sie dürfen weiterfahren, für ihn ist die Tour beendet.

© dpa

Drama bei Tour de France: Warum sich Tony Martin das Schlüsselbein brach

Tony Martin ist bislang der große Pechvogel der Tour de France. Im Gelben Trikot fahrend, stürzte er und brach sich das Schlüsselbein. Nun hat sein Sportdirektor erklärt, weshalb der Sturz so folgenreich war.

Am Tag nach dem Drama versuchten sie bei Tony Martins Rennstall Etixx Quick Step besonders gelassen zu sein. „Rennfahrer stürzen, das gehört zum Geschäft. Ich bin seit 1987 bei der Tour. Stürze gab es immer. Pech ist natürlich, wenn du dir das Schlüsselbein dabei brichst“, sagte Brian Holm, der Sportdirektor des Teams. Natürlich bedauerte der Däne den Ausfall seines Schützlings. „Mir tut es leid für Tony. Er hat hier so fantastisch gekämpft.“ Aber für den hartgesottenen ehemaligen Rennfahrer sind Stürze kaum vermeidbar: „Du bist manchmal auf der falschen Seite und kannst einfach nicht ausweichen. Da kannst du nichts machen.“

Als einfache Regel aus seinen Rennfahrerzeiten nannte er: „Wenn du schon fliegst, dann musst du zusehen, dass du auf jemandem anderen landest. Da ist der knochigste Kerl immer noch besser als der Asphalt.“ Martin habe einfach riesiges Pech gehabt, dass er der erste war, der fiel, und sich niemanden aussuchen konnte, auf den er fiel, sagte Holm.

Dabei landete Martin gar nicht direkt auf dem Asphalt. Sein Mannschaftsarzt Helge Riepenhof hatte ihm – wie auch seinen Teamkollegen – eine Schutzschicht auf die Hüften geklebt. Diese verhinderte bei Martins Sturz noch Schlimmeres. Und danach wurde er sofort nach Hamburg geflogen und 70 Minuten lang operiert. „Die Operation verlief ohne Komplikationen“, erzählte Riepenhof. „Die Knochen sind wieder gut zusammengefügt, kleinere Teile wurden entfernt. Tony fühlt sich den Umständen entsprechend.“

Martin soll in zwei Wochen wieder trainieren

Riepenhof betonte, dass bei der Operation auch darauf geachtet wurde, das Schlüsselbein so zusammenzuschienen, dass es für den Zeitfahrspezialisten Martin günstig ist. „Wir haben bewusst das Krankenhaus der Berufsgenossenschaft ausgewählt. Die achten darauf, dass ein Maurer nach einer Operation wieder mauern kann und ein Sportler eben seinen Sport treiben.“ Bei Martin kam es darauf an, dass der Knochen nicht an einer Seite verkürzt zusammenwächst. „Das wäre hinderlich bei der Zeitfahrerposition“, erklärte Riepenhof. Er ist optimistisch, dass Martin in etwa zwei Wochen wieder auf der Rolle trainieren und in sechs Wochen auf dem Rad sitzen kann. „So lange dauert es, bis der Knochen zusammengewachsen ist“, prognostizierte der Mediziner. Für ihn ist ohnehin das statistisch Wahrscheinliche eingetreten: „Jeder Fahrer erleidet in seiner Karriere 1,4 Mal einen Schlüsselbeinbruch.“

Offene Brüche wie der von Martin sind aber seltener. Und gefährlicher. Denn es besteht ein Infektionsrisiko. „Deshalb musste ich der Böse sein und Tony ein Weitermachen bei der Tour verbieten. Er wollte unbedingt, aber es wäre aus medizinischen Gründen nicht vertretbar gewesen“, sagte Riepenhof, der sehr stolz auf seinen Patienten ist. „Er will nicht aufgeben, das zeigt, welch’ einen Charakter er hat.“ Und so ließ Riepenhof Martin immerhin zur Siegerehrung. Einzige aktuelle Sorge bleibt das Infektionsrisiko. Hat Martin wenigstens hier Glück, steht einer Teilnahme an der WM Ende September in Richmond nichts im Wege.

Deshalb sieht auch Rolf Aldag, der Martin wohl am nächsten stehende Betreuer im Rennstall, die Sache gelassen. „Nach der Tour hätte er ohnehin Pause gehabt. Jetzt dauert die Pause etwas länger und er ist bei der WM vielleicht sogar frischer“, sagte Aldag und gewann dem Sturz sogar etwas Positives ab: „Tony hat doch selbst gesagt: Er wollte hier das Gelbe Trikot erobern. Diesen Traum hat er sich erfüllt.“ Laut Aldag hätte der 30-jährige Cottbuser das Trikot maximal bis zur zehnten Etappe tragen können. „Jetzt hat er es ein paar Tage früher abgegeben. Aber die Art und Weise, in der er es los geworden ist, bringt sicherlich Punkte für den Heldenstatus“, sagte der Ex-Profi.

Und wie Martin das gelang. Auf der siebten Etappe, die Mark Cavendish gewann, trug kein Fahrer das Gelbe Trikot. Aus Respekt vor Martin verzichtete Chris Froome als neuer Führender auf das Trikot.

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