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Sport: Drei Frauen und ihr Geheimnis

Rodlerinnen aus aller Welt rätseln entnervt über die Gründe für die Dominanz der Deutschen

Junge Frauen rissen die Arme hoch und ihre Betreuer lagen sich in den Armen. Im Zielbereich der Kunsteisbahn in Cesana Pariol gab es Szenen dieser Art nicht nur bei den Medaillengewinnerinnen zu beobachten. Auch andere Rodlerinnen hatten Grund zum Jubel: Sie waren unbeschadet angekommen. Sechs zum Teil schwere Stürze hatten ihre Wirkung hinterlassen. Aus sportlicher Sicht, das war schon vor dem ersten Lauf ziemlich sicher, würde es für die deutsche Konkurrenz dagegen kaum etwas zu feiern geben. Seit dem 29. November 1997 sind deutsche Rodlerinnen unbesiegt – in olympischen Wettbewerben, bei Welt- und Europameisterschaften sowie in 65 Weltcuprennen.

Der Rest der Rodelwelt, so könnte man den Jubel der Abgehängten interpretieren, rodelt in einer eigenen Konkurrenz um die Wette, einzig mit dem Ziel: Die Beste nach den nahezu unbezwingbaren Deutschen zu ermitteln. Diesmal war es Courtney Zablocki. Nach dem Grund der deutschen Überlegenheit gefragt, antwortete die Viertplatzierte aus den USA genervt: „Da müssen sie die Deutschen fragen.“ Die Rodlerinnen aus Sachsen und Thüringen hatten wie bei Olympia vor vier Jahren in den USA die drei Medaillen unter sich aufgeteilt. Erneut gab es Gold für Sylke Otto, Silber holte die Olympiasiegerin von Nagano, Silke Kraushaar, und zu Bronze fuhr Debütantin Tatjana Hüfner.

Über die Dominanz und den Grund dafür wurde noch lange nach dem Wettkampf diskutiert. „Die anderen sind nicht blöder, und wir sind auch keine Maschinen“, sagte Sylke Otto, die 36 Jahre alte Doppelolympiasiegerin. „Wenn wir einen Fehler machen, ist es auch vorbei.“ Aber den Deutschen unterläuft in diesem Metier selten ein Fehler, und wenn, dann rodelt eine andere fehlerfrei die Bahn herunter. Woher kommt also diese Dominanz? Wohl zumindest teilweise vom überlegenen Material des Berliner Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). Zudem gibt es in Deutschland vier Rodelbahnen, auf denen die Deutschen vielseitiger und härter trainieren können. Sie sind dadurch athletischer, was vor allem beim Start einen Vorsprung bringt. Und die deutsche Konkurrenz untereinander ist groß. Das stachelt an. Rivalitäten gedeihen im Eiskanal, Freundschaften frieren eher ein.

Zwischen den beiden Olympiasiegerinnen von Nagano, Park City und Cesana Pariol gibt es sogar Missstimmung. „Wir trinken schon mal zusammen einen Kaffee, aber das Verhältnis war auch schon harmonischer“, beschrieb Sylke Otto das Spannungsverhältnis zu Silke Kraushaar. Vorbei sind die Zeiten, da sich die eine über den Erfolg der anderen freute – jetzt zählt nur noch der eigene Sieg. Als Ottos Vorsprung in ihrem letzten „nicht runden und nicht schönen“ Lauf zwischenzeitlich auf Acht Hundertstelsekunden schmolz, frohlockte Silke Kraushaar bereits – zu früh.

Doch es gibt auch Hoffnung für die Konkurrenz. In vier Jahren werden die beiden dominanten Rodlerinnen nicht mehr die Konkurrenz demütigen. Sylke Otto will im Sommer entscheiden, ob sie überhaupt noch ein Jahr dranhängt. Die Familienplanung hat jetzt Vorrang: „Es gibt mehr im Leben als einen Olympia-Hattrick.“

10. BIS 26. FEBRUAR

Hartmut Scherzer[Cesana]

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