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Angelika Trabert, 43, wurde ohne Beine und mit einer Behinderung der rechten Hand geboren. Mit ihrer Stute Ariva-Avanti wurde die Ärztin gerade Deutsche Meisterin. Foto: Imago

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Dressurreiterin Angelika Trabert: „Anstelle der Beine nutze ich Gerten“

Sie ist behindert und startet bei der WM – mit spezieller Ausrüstung und starkem Willen. Dressurreiterin Angelika Trabert über die neue Integration bei den Weltreiterspielen, Stolz und Feingefühl.

Erstmals starten bei den Weltreiterspielen in Lexington/Kentucky behinderte und nichtbehinderte Sportler gemeinsam. Was bedeutet Ihnen das als Athletensprecherin, Frau Trabert?

Dort starten zu können, hat einen sehr hohen Stellenwert für mich. Dass wir als Sportler mit Behinderung bei diesen Weltmeisterschaften so integriert sind, ist ein Symbol für gelebte Integration. Das Pferd ermöglicht uns dies, was in anderen Sportarten nicht möglich wäre.

Weil auf einem Pferd alle gleich sind?

Ja, auf dem Pferd können wir sowohl im Behinderten- als auch im Regelsport starten. Letztendlich ist dies bis auf höchstem Niveau möglich. So bin ich sehr stolz darauf, dass ich im vergangenen Jahr meine erste S-Dressur habe reiten können.

Mit sechs Jahren saßen Sie zum ersten Mal auf einem Pferd, seit 19 Jahren reiten Sie Dressur, international überaus erfolgreich. Was fasziniert Sie an diesem Sport?

Die Partnerschaft mit dem Pferd und dass gemeinsam etwas erarbeitet werden kann. Mich fasziniert, dass das Pferd unser bestes kompensatorisches Hilfsmittel ist. Normalerweise bezeichnet man Spezialsättel oder -zügel als kompensatorische Hilfen, aber eigentlich ist es das Pferd selbst. Wenn die Kommunikation zwischen Mensch und Tier stimmt, dann ist es egal, ob ich Beine habe oder nicht.

Jeder, der schon einmal auf einem Pferd gesessen hat, weiß, wie wichtig die eigenen Beine sind. Zum Aufsteigen und für einen sicheren Sitz. Sie reiten ohne...

...und dafür muss ich sehr gut mein Gleichgewicht halten. Erste Priorität haben meine Gewicht- und Kreuzhilfen. Anstelle der Beine nutze ich zwei Gerten als Hilfsmittel, in jeder Hand eine.

Das funktioniert offenbar gut.

Das Pferd ist ein Gewichtgänger, das heißt, es wird immer versuchen unter das Gewicht zu treten und dazu brauche ich keine Beine. Natürlich kann ich aber nicht alles genau so kompensieren – es gibt Dinge, die brauchen viel länger. Es kommt sehr darauf an, wie gut ausgebildet das Pferd ist, und wie viel Zeit man für gemeinsames Training hat. Ich bin auf einem exzellent ausgebildeten Andalusier auch schon schwerste Dressurübungen wie Piaffe und Passage geritten. Nach oben gibt es meiner Meinung nach keine Grenze.

Wenn Sie erstmal auf dem Pferd sitzen!

Wie ich hinaufkomme, ist eigentlich egal. Ich habe zum Beispiel einen Sattelschrank, der etwa so hoch ist wie das Pferd. Das Pferd stelle ich daneben, klettere erst auf den Schrank und dann in den Sattel. Oder jemand hilft mir. Aber ich glaube, dass es wichtig ist, möglichst viel selbstständig machen zu können.

Sie reiten ja auch mit besonderer Ausrüstung.

Ja, ich habe zum Beispiel einen speziell angefertigten Sattel. Der hat natürlich keine Steigbügel. Und die Pauschen, an denen üblicherweise die Knie des Reiters anliegen, gehen bei mir um meine Beine herum. Das gibt mir nach vorne und hinten vermehrten Halt. Zusätzlich führt noch ein Riemen über meine Beine. Durch leichten Zug daran bekomme ich Druck auf die Hüfte. Dadurch sitze ich sicherer im Sattel. Es ist allerdings wichtig, dass man sich jederzeit vom Pferd lösen kann, zum Beispiel im Falle eines Sturzes.

Erhalten Ihre Pferde ein Spezialtraining?

Nein, sie müssen einfach gut ausgebildet sein. Und charakterstark. Die Pferde brauchen ausreichend Auslauf, um physisch und psychisch ihrer Aufgabe gewachsen zu sein. Als ich zum ersten Mal auf meiner älteren Stute saß, bin ich vielleicht zweimal kurz getrabt und sonst nur Schritt geritten. Nach kurzer Zeit war sie nassgeschwitzt – sie wusste einfach nicht, was ich von ihr will. Man darf die Schwierigkeit nicht unterschätzen.

Ihre WM-Pflichtübungen bestehen aus Lektionen im Schritt und Trab – kein Galopp.

Ja, aber Galopp und andere schwierigere Übungen sind dann in der Kür erlaubt. Ich bin früher in meiner Kür fliegende Galoppwechsel und Traversalen geritten. Der Schwierigkeitsgrad in der Pflicht richtet sich nach der Schwere des Handicaps.

Wenn Sie in Kentucky starten, ermitteln auch sieben weitere Disziplinen ihre Weltmeister. Wie ist der Kontakt zu anderen Reitern der Weltspitze?

Man nimmt uns schon wahr. Wie das allerdings bei den Weltreiterspielen sein wird, bleibt abzuwarten. Für die Reiter der anderen Disziplinen ist es auch neu, dass wir nun mit dabei sind. Aber wir sind offen und interessiert, und ich würde mich freuen, wenn dies umgekehrt auch der Fall ist.

Das Gespräch führte Katja Reimann.

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