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Von wegen stille Post. Vor einer Woche gastierte die DTM bei ihrem zweiten Saisonrennen in Moskau.

© dpa

DTM fürchtet die Formel E: Weniger Geplänkel, mehr Krach

Die DTM fürchtet nach dem Wechsel von Mercedes in die Formel E die leise Konkurrenz – und will sich mit Regeländerungen retten.

Von Sabine Beikler

Gute Action, viel Spektakel, neue Fankultur: Die Veranstalter der Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) versuchten im 31. Serienjahr viel Optimismus und Aufbruchstimmung in der populärsten Tourenwagenserie Europas zu verbreiten. Bis vor eineinhalb Wochen der Knaller kam: Mercedes kündigte seinen Ausstieg aus der DTM für das Ende des Jahres 2018 an. Dass damit ab 2019 nur noch Audi und BMW in der DTM gegeneinander fahren, ist abenteuerlich. Vielmehr steckt die DTM in einer substanziellen Krise. „Es besteht die große Gefahr, dass die DTM auseinanderfällt“, sagte der Präsident des Deutschen Motorsport-Bundes (DMSB), Hans-Joachim Stuck, dem Tagesspiegel. Eines ist sicher: Die Serie muss sich ändern. Und das wird sie. Im Herbst soll ein neues Regelwerk präsentiert werden, um die DTM weiterhin für die Hersteller attraktiv zu machen.

Der angekündigte Mercedes-Ausstieg wirbelt die gesamte Motorsportszene durcheinander. „Da passt kein Stein mehr auf den anderen“, sagte Stuck. Zumal die Stuttgarter nicht die einzigen sind, die ihre Motorsportstrategie geändert haben. Raus aus der DTM, rein in die Formel E, das scheint ein Trend zu sein in der Szene. Ab 2019/2020 fährt Mercedes nämlich nicht nur in der Formel 1, sondern auch in der Formel E mit. BMW geht in dieser Serie schon ab der Saison 2018/2019 mit einem Werksteam an den Start. Und Audi wird den Startplatz des Allgäuer Abt-Teams mit eigenem Werkseinsatz übernehmen und unter dem Teamnamen „Audi Sport ABT Schaeffler Abt“ in der Formel E fahren. Auch Porsche hat den Einstieg in die Formel E angekündigt.

BMW-Motorsportchef Jens Marquardt sagte, eine Neubewertung der DTM-Aktivität des bayerischen Herstellers stehe an. Auch sein Audi-Kollege Dieter Gass kann die Konsequenzen für das Engagement seines Unternehmen in der DTM „adhoc“ nicht absehen. Selbst Gerhard Berger, DTM-Chef und Vorsitzender der DTM-Dachorganisation ITR, hatte mit dieser Entscheidung von Mercedes nicht gerechnet. Er stellte sogleich ein „tragfähigen Konzept“ für die Zukunft in Aussicht. Wie kann das aussehen?

Die DTM reagierte bereits auf sinkende Zuschauerzahlen

Dabei hat die DTM schon versucht, ihren Charakter zu verändern. Sie wollte sich zum Beispiel für asiatische Rennserien öffnen. Seit 2014 wurde eine Fusion mit der japanischen Super GT beschworen, die mit Zweiliter-Turbomotoren fährt, während die DTM noch mit Vierliter-Motoren fährt. Honda, Nissan und Lexus fahren in der japanischen Super-GT-Serie und sind den DTM-Fahrzeugen sehr ähnlich. Ursprünglich sollten schon 2017 die Turbomotoren in der DTM eingeführt werden. Das wurde aus Kostengründen auf das Jahr 2019 verschoben. In Kürze wird es nach Tagesspiegel-Informationen Gespräche darüber geben, welches Motorenreglement umgesetzt wird.

DTM-Chef Berger glaubt, dass die DTM auch mit nur den zwei Herstellern Audi und BMW möglich ist. Das war zwischen 2006 und 2011 schon einmal so, als sich Opel aus der DTM zurückzog und nur noch Audi und Mercedes in der Serie unterwegs waren. Aber die Zeiten haben sich geändert. Der Kostendruck lastet auf allen Herstellern. Und sollte sich der mögliche Kartellverdacht bestätigen, drohen Audi, BMW, Daimler, Porsche und Volkswagen zusätzliche Strafzahlungen in Milliardenhöhe.

Stuck nennt die DTM „die wichtigste Plattform im deutschen Motorsport“. Für die Hersteller ist die Serie nicht nur eine wichtige Werbeplattform, sondern auch eine Ankerserie für das gesamte Rahmenprogramm wie Porsche-Carrera-Cup, Formel-3-Europameisterschaft oder Audi- Sport-TT-Cup. Sollte die DTM begraben werden, bliebe nur noch das ADAC GT Masters als deutsche Spitzenserie.

Auf sinkende Zuschauerzahlen reagierte die DTM bereits mit Regeländerungen und mehr Nähe zu den Fans. Die Leistung der DTM-Wagen wurde auf mehr als 500 PS erhöht. Es gibt weniger Aerodynamik und weichere Reifen. „Mehr Power, weichere Reifen, dadurch mehr Grip. Das hat Potenzial für eine bessere Show“, sagt DTM-Vizeweltmeister Eduardo Mortara, der erst dieses Jahr von Audi zu Mercedes wechselte.

Auch die neuen Regeln für den Re-Start sind bei den Fans bisher gut angekommen. Beim sogenannten Indianapolis-Start ordnen sich die Autos in Zweierreihen an, bevor das Rennen im fliegenden Start wieder freigegeben wird. Und die Fans können mit den entsprechenden Tickets vor einem Rennen die Teams direkt in Glaskabinen in den Boxengassen beobachten. Im „Fan-Village“ entlang der Rennstrecke bieten die Veranstalter Unterhaltung für die ganze Familie an. „Die Fans wollen Action“, sagt DMSB-Präsident Stuck. Er plädiert für „weniger Aerodynamik, Taktikgeplänkel, dafür mehr Überholvorgänge und Spannung“. Motorsport dürfe keine komplizierten Regeln enthalten, sondern „muss für jeden schnell zu kapieren sein“.

Ob die ARD die DTM weiter ausstrahlt, ist ungeklärt

Der angekündigte Mercedes-Ausstieg passt den DTM-Veranstaltern während der Verhandlungen über die Fernsehrechte 2018 überhaupt nicht ins Konzept. Die ARD ist noch übertragender Exklusiv-Sender, hat sich aber den Zorn der Fans und Motorsportfunktionäre zugezogen, wohl durch seine Machtposition. So ließ der der Sender das Rennen am Norisring kurz nach einem Restart abbrechen und diktierte eine neue Startzeit. Die TV-Zuschauerzahlen schwanken bei den DTM-Rennen zwischen 900 000 und gut 1,2 Millionen. Kein schlechter Wert für ein DTM-Rennen. Bis September läuft die Ausschreibung der TV-Rechte 2018. Ob die ARD die Serie weiter ausstrahlt, ob RTL eventuell übernimmt, ist ungeklärt. DTM-Chef Berger hat zurzeit keine gute Verhandlungsbasis. An der DTM hängen tausende von Arbeitsplätzen, von den Teams, Fahrern, Zulieferern, Cateringfirmen bis hin zur Nachwuchsförderung. Nur kann die DTM in der bisherigen Form wohl nicht weitergeführt werden.

Für den Audi-Piloten Mike Rockenfeller gehören zum Motorsport „Geschwindigkeit, Sound, Unfälle“ dazu. Die Fans der Formel E sehen Nachhaltigkeit und Zukunftstechnologie als wichtige Triebfedern im Motorsport. DTM-Chef Berger dagegen betont, dass für ihn die Formel E kein Motorsport sei. Ob er das auch noch sagen würde, falls die Formel E die DTM überlebt?

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