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Sport: Du sollst keinen Gott neben Hermann Maier haben

Österreichs Skifahrer ist bescheidener geworden – aber sein Umfeld behandelt ihn wie den einzigen Helden

Berlin. Der Mann geht bedächtig auf einen Bergsee zu . Man sieht erst mal nur seinen Rücken, aber der Gang ist so, dass man sich vorstellen kann, wie er diese Landschaft genießt und die klare Luft förmlich einsaugt. Die Wiese, über die er geht, das blaue Wasser, in dem sich das Sonnenlicht spiegelt, die Vögel, die zwitschern. Sie sind verdammt nahe dran am Klischee von Ruhe, Natur, Idylle, diese Bilder. Aber der Mann hat ja auch eine Botschaft, die zu diesen Bildern passt. „Die größten Erfolge sind die stillen Erfolge“, so lautet seine Botschaft.

Der Mann ist Hermann Maier. Der Hermann Maier. Ski-Star, Doppel-Olympiasieger, Idol, im Fan- und Boulevarddeutsch: der Herminator. Sein Hauptsponsor, die Raifeissenbank von Österreich, hat den Werbespot mit dem nachdenklichen Maier drehen lassen. Er lief im Fernsehen, „und es ist der beste Werbespot, den wir je mit Maier gemacht haben“, sagt ein Sportmarketing-Experte der Raifeissenbank. „Er berührt die Leute irrsinnig.“ Denn Maier ist ein neuer Mensch, so müssen die Zuschauer bei diesen Bildern empfinden. Mehr noch: Maier ist überhaupt ein Mensch, einer, der über eine Wiese läuft und nicht schwebt. Denn Maier verkörperte ja auch dieses Klischee: ein Superstar, der in anderen, überirdischen Sphären herrscht. Der seine Konkurrenz in Grund und Boden fährt und seine Arroganz bewusst als Waffe im Konkurrenzkampf einsetzte. Dass er dabei auf dem Weg war, „größenwahnsinnig zu werden“, bemerkte er erst wirklich, als zehn Ärzte im Krankenhaus um sein Leben und später um sein rechtes Bein kämpften. Der scheinbar Überirdische hatte einen schrecklichen Motorradunfall. Als er wieder gehen konnte, wurde der Spot gedreht. „Die Leute sehen jetzt, dass er sehr bodenständig geworden ist und nicht mehr abhebt.“ Der Marketing-Experte des Sponsors sagt das, und wenn man ihn zu ernst nimmt, driftet man ins nächste Klischee ab: Hermann Maier, der bescheidene Junge von nebenan. Nur noch einer von vielen im Skizirkus. Ein Mann, der wieder vorne mitfährt und still sein Comeback genießt.

Ganz sicher ist Maier ruhiger, weicher, bodenständiger geworden. Das sagen Leute, die ihn seit Jahren kennen. „Er provoziert nicht mehr“, sagt der Sportmarketing-Experte. Verspätungen bei Terminen pflegte Maier fast lustvoll. „Jetzt hält sich das alles in Grenzen“, sagt der PR-Mann der Bank. „Er ist jetzt auch mehr Teamplayer geworden.“

Bestimmt. Vor der Weltcup-Abfahrt in Beaver Creek vor ein paar Tagen sagte er, wie schön das Konditionstraining mit seinem Teamkollegen Michael Walchhofer sei. Walchhofer ist Abfahrts-Weltmeister. Früher hatte Maier seine Gegner einfach ignoriert, nach Walchhofers Triumph sagte er grinsend: „Der Michael hat wohl zu viel von mir im Fernsehen abgeschaut.“

Mag sein, dass sich Maier geändert hat, aber das Umfeld, das einem wie ihm zusätzlich suggeriert, wie überirdisch er doch sei, das hat sich nicht geändert. Maier über alles, das gilt wieder. Maier, die Medienfigur, der Mann, den Verband, Sponsoren und Medien aus dem Team herauslösen. Der 31-Jährige hat die Abfahrt in Beaver Creek gewonnen, er hat den Super-G in Lake Louise gewonnen, und er hat danach nicht sich, sondern seinen Servicemann gelobt. Aber genau genommen hat er damit schon wieder seinen Ausnahmestellung demonstriert. Denn sein Skiausrüster hat extra für ihn einen Ski modifiziert. Der Rest der Mannschaft fährt anderes Material. Schon das erzeugt intern Neid.

Und der Quotenbringer Maier muss natürlich auch nicht in die interne, beinharte Qualifikation der Österreicher. „Da müssen wir als Fernsehen gar keinen Druck ausüben“, sagt Phillip König, Redakteur des Österreichischen Rundfunks. „Das macht der Verband schon selber. Die haben Druck von Sponsoren. Jeder weiß, dass es undenkbar ist, dass Maier nicht starten darf.“ König sagt, dass es für ihn und seine Kollegen leichter sei, eine 30-minütige Vorberichterstattung bei Weltcup-Rennen durchzudrücken, wenn Maier startet. Wie heute beim Riesenslalom in Alta Badia. „Da schalten dann mehr Werbekunden ihre Spots“, sagt König. „Maier hat einen Schutzraum, ganz klar. Kritik an ihm wird nicht geübt. Es ist Heldenverehrung.“ König sagt, dass niemand dem Verdacht nachgegangen sei, ob denn Maiers Motorrad damals nicht unerlaubt aufgemotzt war und ob er zu schnell gefahren sei.

Fraglich ist, wie anfällig Maier für diese Heldenverehrung ist. Jedenfalls hat er auch schon verkündet: „Wenn ich wieder so stark wie früher bin, wird der Skisport einen noch schnelleren Hermann Maier erleben.“

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