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Sport: Duell der Gestrauchelten

Der Reiz von Herthas Heimspiel gegen Dortmund erwächst aus dem Scheitern

Berlin - Es wird ein seltenes Bild: Mehr als 60 000 Zuschauer werden heute das Berliner Olympiastadion füllen. Endlich mal wieder herrscht Andrang. Und irgendwie hört sich das Duell ja auch nach großem Fußball an – Hertha gegen Dortmund. Das Duell war tatsächlich mal ein großes, als beide Vereine darum wetteiferten, sich als zweite oder dritte Kraft im deutschen Fußball hinter dem FC Bayern zu positionieren. Die Realität sieht anders aus. Wenn heute der Berliner Bundesligist den BVB empfängt, kommt es zu einem Duell der Gestrauchelten.

Beide Großvereine haben in ihrer Aufholjagd den Gejagten längst wieder aus den Augen verloren. Für beide Klubs geht es darum, den Abstieg zu verhindern. Hertha hat neben dem Heimvorteil ein Sechs-Punkte-Polster auf die Borussia. So ganz beruhigend ist das nicht. Sollte Hertha nicht gewinnen, könnte der Verein wieder in die Bredouille geraten. Genau darin liegt heute der Reiz dieses Spiels. Es ist ein Reiz, auf den beide Vereine liebend gern verzichten würden. Beide Vereine sind abgerutscht in die Belanglosigkeit – sportlich. Wirtschaftlich sind sie einen Schritt weiter.

Nach dem Börsengang 2000 warf Dortmund mit dem Geld nur so um sich. Erst Ende 2003 wurde das Ausmaß des verantwortungslosen Handelns deutlich. Bei 120 Millionen Euro Schulden machte der einzige an der Börse notierte deutsche Fußballklub kehrt. Die Lizenz für den bezahlten Fußball war in Gefahr, der BVB leitete einen Entschuldungsprozess ein. Topspieler wurden abgegeben. In den vergangenen drei Jahren erzielte Borussia Dortmund rund 17 Millionen Euro an Transferüberschuss. Gestern erhielt der Klub immerhin die Lizenz für die kommende Saison ohne Auflagen, auch für den Fall des Abstiegs.

Auch Hertha hat verschwenderische Jahre hinter sich. Dieter Hoeneß, Herthas mächtiger Mann, hatte Ende der Neunzigerjahre das Zielfernrohr auf die Bayern ausgerichtet. Hertha gab seitdem rund 55 Millionen Euro für Spielertransfers aus. Es war zum Teil Geld, das der Verein noch gar nicht eingenommen hatte. Heute ist Hertha mit rund 46 Millionen Euro verschuldet. Die Berliner müssen für ihre Lizenz in der kommenden Saison erneut Auflagen erfüllen. „Wir müssen die Deutsche Fußball-Liga über unsere wirtschaftliche Situation auf dem Laufenden halten und dürfen unsere Kapitalsituation nicht verschlechtern“, sagt Ingo Schiller, der für Finanzen zuständige Geschäftsführer von Hertha.

Den Dortmundern sind die erfolgreichen Jahre Mitte der Neunziger nicht bekommen. Zwei Meisterschaften hintereinander (1995 und 1996), der Gewinn der Champions League und des Weltpokals 1997 waren der Vereinsführung um Gerd Niebaum und Michael Meier zu Kopf gestiegen. Damals entstanden auch die Börsenpläne. Es war die Zeit, als Hertha aufstieg. Der Berliner Verein kam quasi aus dem Nichts und tauchte kurz darauf in der Champions League auf. Das verführte die Führung zu Transfers, die sich nicht selten als Flops erwiesen.

Beide Klubs treten seit ein, zwei Jahren auf der Stelle, weil sie wirtschaftlich kaum noch Handlungsspielraum haben. Es ist schlicht kein Geld mehr da für Abenteuer. Dortmund holte im Sommer keinen Ersatz für Tomas Rosicky, Hertha ließ Marcelinho unersetzt und verstärkte sich aus dem eigenen Nachwuchs. Weil das nicht immer den gewünschten Erfolg nach sich zieht, müssen jetzt entlassene Trainer bezahlt werden. In Dortmund einer mehr als in Berlin. Der BVB zahlt gegenwärtig für den aktuellen Trainer Thomas Doll sowie Vorgänger Jürgen Röber und Vor-Vorgänger Bert van Marwijk.

Während in Dortmund das Führungsduo Niebaum/Meier auf dem Höhepunkt der Krise durch Reinhard Rauball und Hans-Joachim Watzke ersetzt wurde, sitzt Dieter Hoeneß bei Hertha BSC fest im Sattel. Noch heute reklamiert Hertha für sich, nach dem Aufstieg Pionierarbeit geleistet zu haben. Tatsächlich ist enorm viel geleistet worden in den Jahren seit dem Aufstieg. Aber was soll erst der VfL Wolfsburg sagen, der 1997 mit Hertha zusammen aufgestiegen ist? Absetzen konnten sich weder Dortmund noch die Berliner von den Wolfsburgern. Im Gegenteil. Mittlerweile haben Hertha einige Spieler in Richtung Wolfsburg verlassen: Alexander Madlung wurde dort Nationalspieler. Marcelinho ist im Winter dort gelandet, und im Sommer verliert der Berliner Bundesligist einen seiner begabtesten Nachwuchsfußballer, Ashkan Dejagah, an die Niedersachsen – ablösefrei.

Hertha gegen Dortmund, das ist ein Duell der Gestrauchelten, und gerade das macht es so interessant. Auch deshalb wird heute das Olympiastadion gut gefüllt sein. In Dortmund ist das Stadion allerdings größer, und seit Jahren so gut wie immer ausverkauft.

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