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Sport: Dünne Flugluft

Bei der Tischtennis-EM kämpfen die Profis mit der Höhe

Von Friedrich-Karl Brauns

und Jörg Petrasch

Courmayeur. Ein Tischtennisball ist sensibel. Kein Wunder, dass bei nur 2,7 Gramm Gewicht die Flugbahn des Spielobjekts schnell von äußeren Faktoren beeinflusst wird: Zum Beispiel vom Luftwiderstand, der in einer Halle herrscht. Am Sonnabend beginnen im italienischen Wintersportort Courmayeur die Tischtennis-Europameisterschaften: am Südpol des Mont Blanc, 1230 Meter über dem Meeresspiegel gelegen. Und dort wird die Luft schon dünn. „Die Bälle springen hier etwas höher ab und haben eine längere Flugkurve“, sagt Jörg Rosskopf. „Aber drei Tage Gewöhnungszeit reichen aus, um das in den Griff zu bekommen.“

Der deutsche Tischtennis-Star wurde 2001 an gleicher Stelle beim Welt-Cup-Turnier Dritter, hat also gute Erfahrungen mit der Höhenluft von Courmayeur gemacht. Und der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) hat aus den letztjährigen kontinentalen Titelkämpfen in Zagreb einiges zu verteidigen: zwei Gold- und zwei Silbermedaillen. Insgeheim erhofft man sich aber noch mehr. Schließlich führt Europameister Timo Boll vom hessischen Bundesligisten TTV RE-Bau Gönnern im Einzel und Doppel (an der Seite von Zoltan Fejer-Konnerth) das Aufgebot an. Der 22-jährige Linkshänder steht zudem seit Anfang des Jahres als erster deutscher Tischtennisspieler auf Position eins der Weltrangliste. Boll ist nun der Gejagte, und er weiß das natürlich: „Es gibt einige, die mich schlagen können.“ Bereits im ersten Mannschaftsspiel gegen Griechenland trifft Boll auf den EM-Zweiten Kalinikos Kreanga. Zudem gehören der ehemalige Europameister Wladimir Samsonow (Weißrussland) und Werner Schlager (Österreich) zu den Favoriten.

Der Gejagte zu sein, scheint Boll im Grunde aber nicht viel auszumachen. In seiner Bodenständigkeit ähnelt Boll in vielem seinem Vorbild Jörg Rosskopf. Und beide haben einem Wunsch, wollen bei der EM mit der Mannschaft Gold holen. Viermal – 1980, 1990, 2000 und 2002 – stand ein deutsches Herrenteam im Finale, viermal hieß der Endspielrivale Schweden, viermal siegten die Skandinavier. Dieses Mal stehen die Chancen für die Deutschen aber wohl besser. Rekord-Nationalspieler Jörg Rosskopf (Gönnern), mittlerweile 33 Jahre alt, ist nach einjähriger Verletzungspause wieder im Team. Schulter und Ellbogen, durch die Belastung in fast 20 Profijahren stark belastet, sollen beim Weltmeister im Doppel (1989), Einzel-Europameister 1992 und olympischen Medaillengewinner (1992, 1996) noch einmal halten. So hofft Jörg Rosskopf jedenfalls. Für sein Comeback hat er schließlich monatelang hart trainiert.

Ähnlich motiviert wie Boll und Rosskopf sind auch die deutschen Damen. „Als Silbermedaillen-Gewinner von Zagreb wollen wir mit der Mannschaft diesmal auch eine Medaille holen“, sagt die fünffache Europameisterin Nicole Struse. Allerdings wird das Abschneiden in entscheidendem Maße von ihrer körperlichen Verfassung abhängen. Die 31-Jährige erlitt im Abschluss-Lehrgang des DTTB vor zwei Wochen einen Hörsturz, musste zehn Tage pausieren. Zusammen mit ihrer Doppelpartnerin Elke Wosik, mit der sie 1996 im Mannschaft- und Doppelwettbewerb Gold gewann, wird Struse auch im Einzel am meisten zugetraut.

Die erschwerten Bedingungen in der Höhe Courmayeurs sollten die Deutschen von ihrem Medaillenkurs nicht abbringen, da ist sich Jörg Rosskopf jedenfalls sicher. „Wir Profis treffen den Ball in jeder Lage. Meistens jedenfalls“, sagt er.

Friedrich-Karl Brauns, Jörg Petrasch

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