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Sport: „Egoismus kann sich keiner mehr leisten“

Herthas Manager Dieter Hoeneß über Geld, Zugänge und die Perspektiven für die neue Saison

Herr Hoeneß, Sie wirken hier im Trainingslager entspannt wie lange nicht.

Ich habe ein gutes Gefühl, weil die Vorbereitungen nun weitgehend abgeschlossen sind. Ich habe drei Spieler verpflichtet und drei Spieler abgegeben, das war nicht innerhalb von einer Woche getan. Der Fall Rehmer war noch ein Überbleibsel aus der letzten Saison, das Thema ist nun auch abgehakt. Jetzt kann ich auch wieder selbst mehr Sport machen, Fahrrad fahren oder Fußball spielen.

Wie ist es Ihnen gelungen, Yildiray Bastürk zu Hertha zu holen, obwohl er im Ausland mehr verdient hätte und bei Bremen Champions League spielen könnte?

Wir haben doch abgesehen von der vergangenen Saison in den letzten Jahren viel erreicht. Und wir haben viel vor, auch mit dem neuen Stadion. Das hat ihn überzeugt. Hertha wird in der Bundesliga immer noch als Spitzenklub wahrgenommen. Werder Bremen war in den vergangenen Jahren immer hinter uns. Gott sei Dank haben die Spieler nicht immer nur die kurzfristige Perspektive im Kopf. Natürlich mussten wir bei Yildiray auch finanziell mithalten, damit der Unterschied zu ausländischen Vereinen nicht zu groß ist. Aber so außergewöhnlich finde ich es gar nicht, dass er sich für uns entschieden hat. Wenn er nach seiner Verletzung wieder dabei ist, kann er bei uns eine besondere Rolle spielen.

Sie hätten auch gerne noch einen Verteidiger und einen Stürmer verpflichtet. Kann sich Hertha BSC keine weiteren Verstärkungen mehr leisten?

Ja, wir haben das Geld dazu einfach nicht. Die Verpflichtung von Gilberto war auch nur möglich, weil wir einen Spieler mit einem guten Vertrag, Bart Goor, abgeben konnten. Außerdem habe ich das mit den beiden Verstärkungen eher perspektivisch gemeint. Wenn wir wieder oben mitspielen wollen, dann hätten wir uns auf diesen beiden Positionen verstärken müssen.

Sie hätten die Gelegenheit nutzen können, sich von Marko Rehmer zu trennen, um einen neuen Abwehrspieler zu verpflichten.

Wir haben ihm zunächst nur aus arbeitsrechtlichen Gründen gekündigt und die Kündigung wieder aufgehoben. Zuletzt stand eine Trennung von ihm nicht mehr zur Debatte. Marko hat nicht lange gepokert und seinen Gehaltsverzicht über vier Monate schnell akzeptiert. Das fand ich gut. Er hat eingesehen, welche Dimension sein Fehler hätte annehmen können. Außerdem: Wenn Marko fit ist, dann ist er ein guter Spieler. Es geht auch um menschliche Aspekte.

In der vergangenen Saison sind Sie oft sehr hart aufgetreten, und doch scheinen Sie sich schwer damit zu tun, sich von Spielern zu trennen, die andere Manager schon längst rausgeworfen hätten.

Zum Beispiel?

Dick van Burik etwa.

Dick ist im Team ein ganz wichtiger Mann. Und er hat in der Phase, als es um die Vertragsverhandlungen ging, sehr gut gespielt. Wenn Dick nicht verletzt ist, dann ist er ein wertvoller Spieler.

Kann es dennoch sein, dass andere Bundesligamanager sich leichter damit tun, einen Spieler zu verabschieden?

Wir reden bei Hertha BSC viel von Identifikation. Aber ich muss den Spielern auch einen Ansatz bieten, um sich mit dem Verein zu identifizieren. Die Spieler müssen merken, dass es auch sehr menschlich zugeht.

Liegt das in Ihrer Familie? Ihr Bruder Uli Hoeneß tritt in der Öffentlichkeit ebenfalls manchmal sehr unpopulär auf, aber Spieler schickt er oft auch dann nicht weg, wenn sie schwache Leistungen zeigen.

Da sind wir uns sicher ähnlich. Das hat etwas mit sozialer Kompetenz zu tun. Aber es darf nicht in Gefühlsduselei ausarten. Es wird keine Rücksichtnahme mehr auf die Verdienste der Vergangenheit geben.

Ist Ihre soziale Kompetenz denn durch die schlechten Erfahrungen in der vergangenen Saison gestiegen?

Ich glaube schon. Meine Erkenntnis ist, dass ich bisher beruflich unheimlich großes Glück gehabt habe. Man neigt dazu zu glauben, dass der Erfolg nur mit Arbeit zu tun hat. Aber es kommt eben auch auf Glück an, und dieses Glück weiß ich jetzt mehr zu schätzen als vorher.

Warum wird Hertha in der nächsten Saison besser spielen als in der vergangenen?

Das fängt schon mit dem Umfeld an. Das Stadion ist fertig, dadurch wird sich die Atmosphäre spürbar verbessern. Außerdem haben alle Beteiligten gelernt. Die Mannschaft hat begriffen, dass es nur übers Team geht, auch Niko Kovac und Fredi Bobic. Egoismus wird sich einfach keiner mehr leisten können. Vor allem aber haben wir neue Spieler und einen neuen Trainer. Falko Götz bringt eine ganze Menge Kredit mit.

Dieser Kredit scheint bei Hertha BSC wegen der kritischen Zuschauer und der hohen Erwartungen wichtiger zu sein als bei anderen Vereinen.

Das kann schon sein, außerdem haben wir ein Medienaufkommen, das es in dieser Größe höchstens noch in München und Hamburg gibt.

Als Huub Stevens neu bei Hertha war und trotzdem noch immer Falko Götz gefeiert wurde, haben Sie Stevens den Rücken freigehalten, indem Sie Götz’ Leistung zu schmälern versucht haben.

Das stimmt so nicht. Ich habe gesagt, dass Götz seine Sache hervorragend gemacht hat, aber er hatte auch nichts zu verlieren. Die Verantwortung lag bei mir. Falko Götz konnte nur gewinnen, und er hat gewonnen. Ich habe ihm damals sehr konkrete Fragen gestellt, und die Antworten haben mich überzeugt. Natürlich gab es Probleme mit der Akzeptanz, die wir gemeinsam beseitigen mussten. Er hat im ersten Training die Mannschaft wählen lassen wie in der Schule. Er war zu jenem Zeitpunkt auch kein aktiver Trainer, sondern nur ein Koordinator. Und es gab Spieler wie Rob Maas, die er aus dem Team genommen hat und die das nicht akzeptiert haben. Da mussten wir im Hintergrund viel arbeiten.

Haben Sie Götz nun wieder viele Fragen gestellt, als Sie ihn zurückgeholt haben?

Ja, ich habe ihn nach seiner Fußballphilosophie gefragt. In der Zwischenzeit ist ja auch bei ihm einiges passiert. Ich kann nur sagen, dass ihm die Zeit bei 1860 insofern gut getan hat, weil er mit einer Krise umzugehen gelernt hat. Diese Zeit hat ihm vielleicht besser getan, als wenn er Erfolg gehabt hätte. Es hat mir jedenfalls sehr imponiert, dass er als Interimstrainer das umgesetzt hat, was er sich vorgenommen hatte. Wir haben damals einen offensiven und attraktiven Fußball mit viel Pressing gespielt. Warum soll uns das nicht wieder genauso gelingen? Falko bringt dafür hervorragende Voraussetzungen mit, weil er eine sehr analytische und methodische Vorgehensweise hat. Er kann Fußball so einfach erklären, dass es wirklich jeder Spieler versteht.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

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