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Daniel Narcisse hält die Champions-League-Trophäe in die Luft.

© dpa

EHF-Champions-League: Narcisse: „Handball könnte Dopingproblem kriegen“

Welthandballer Daniel Narcisse vom THW Kiel spricht vor dem Final Four der EHF Champions League mit dem Tagesspiegel über seinen Wechsel zu Paris St. Germain, das Finalturnier in Köln und die hohe Belastung durch seine Sportart.

Daniel Narcisse, Sie stehen mit dem THW Kiel im Final Four der Champions League, wo es am Samstag im Halbfinale gegen Hamburg geht (17.30 Uhr, live bei Eurosport). Im vergangenen Jahr hat Kiel das Turnier in Köln gewonnen. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Austragungsort?

Sehr schöne, auch abseits des Sports. Ich habe zu Beginn meiner Zeit in Deutschland in Gummersbach gewohnt. Aber ich war sehr oft in Köln und habe die Stimmung in der Stadt immer sehr genossen. In jeder Straße kann man Franzosen kennenlernen. Und dann der Karneval: Das war echt eine neue Erfahrung für mich.

Beim VfL Gummersbach haben Sie auch ihren aktuellen Trainer Alfred Gislason kennengelernt. Wie verlief die erste Zeit mit ihm?
Es war nicht einfach, aber wir haben bald eine gute Basis gefunden. Als Isländer hat er natürlich eine andere Mentalität. Sein Humor ist großartig. Nur nicht im Training. Arbeit ist Arbeit, so lautet sein Motto. Wenn man dieses Motto befolgt, dann kann man viel Spaß mit ihm haben.

Hat es Sie überrascht, dass Gislason die Erfolgsserie seines Vorgängers Noka Serdarusic in Kiel nahtlos fortsetzen konnte?
Nein. Die großen Ziele, die ein Klub wie der THW hat, kann man nur mit einem großen Trainer verwirklichen. Alfred ist ein großer Trainer. Ich finde, er hat in den vier Jahren, in denen ich in Kiel spiele, sehr gute Arbeit geleistet.

Welche weiteren Gründe gibt es für die Kieler Dominanz?
Der THW hat viele große Spieler. Aber sie tun alles für die Mannschaft. Das lernen alle, die hierherkommen, sehr schnell. Aber es gibt auch andere Gründe.

Welche sind das?
Die Mentalität. Als ich 2009 nach Kiel kam, wusste ich, dass hier alle gewinnen wollen. Aber die große Leidenschaft, die dahintersteckt, habe ich damals unterschätzt. Unser Kapitän Marcus Ahlm sagt immer: Das nächste Spiel! Immer nur das nächste Spiel! Und wenn das geschafft ist, dann schauen wir wieder auf das nächste Spiel. Es ist unglaublich, wie sehr sich alle Spieler darauf fokussieren.

Das ist die ganze Erklärung dafür, warum der THW nicht verliert?
Es gibt auch Schlüsselmomente. Einer davon war das erste Champions-League-Final-Four. Damals hatten wir riesige Probleme, zuerst im Halbfinale gegen Ciudad Real, im Finale lagen wir gegen Barcelona mit sechs Toren zurück. Aber beide Spiele haben wir gedreht. Das war sehr wichtig für uns als Mannschaft. Damals hatten Spieler wie Börge Lund und Igor Anic, die vorher kaum Einsatzzeiten hatten, großen Anteil am Sieg. Das hat uns alle sehr bewegt.

Das hört sich in Zeiten des Profisports sehr romantisch an.
Mag sein, aber ich glaube, dass ohne solche Erlebnisse keine große Mannschaft wachsen kann. Die Saison 2011/12, als wir fast perfekt gespielt haben, wäre ohne die Lernprozesse in den zwei Jahren davor undenkbar gewesen. Und auch nicht ohne die Reise in der Vorbereitung nach La Réunion, meine Heimat, wo wir uns noch einmal besser kennengelernt haben. Auch das hat uns sehr geholfen.

Daniel Narcisse über die Missstände im Handball: "Kreuzbandrisse die logische Konsequenz"

Aktuell wird im Handball viel über Missstände diskutiert. Was ist für Sie das größte Problem?
Die Belastung von uns Spielern. Wie soll man in einer Sportart, die so physisch ist wie Handball, weit über 60 Pflichtspiele durchstehen? Wenn ein Fußballer verletzt ist, dann bekommt er sechs Wochen Pause. Wir spielen einfach weiter. Da sind Kreuzbandrisse, wie ich sie hatte, fast logisch.

Welche Lösungen schweben Ihnen vor?
Auch wenn es zynisch klingt: Vielleicht muss man es so machen wie im Rugby. Da ist der Kader um 25 Prozent größer, weil jeder weiß, dass irgendwann Verletzungen kommen. Wenn die Belastung nicht zurückgefahren wird, fürchte ich, dass Handball bald mehr mit Problemen wie Doping zu tun bekommt.

Im Sommer wechseln Sie zu Paris St. Germain, das von der Qatar Sport Foundation finanziert wird. Steht dieser Klub bald auf einer Stufe mit dem THW?
Kiel hat hundert Jahre Erfahrung mit Handball. Paris nur ein Jahr. Ein solcher Verein wie Kiel lässt sich nicht in einem Jahr erbauen. Paris hat die Finanzen, um eine große Mannschaft zu formen. Aber es muss vor allem das Ziel sein, die gleiche Mentalität wie in Kiel zu entwickeln. Anders lässt sich die Champions League nicht gewinnen.

Warum wechseln Sie?
Nicht wegen des Gehalts. Wahrscheinlich bekomme ich nie wieder einen besseren Vertrag als in Kiel. Mich interessiert das Projekt. Dass mit St. Germain erstmals ein Klub aus der Hauptstadt Großes im Handball bewegen will. Mit einer französischen Mannschaft Geschichte zu schreiben, ist für mich eine große Motivation.

Das Final Four ist mit Hamburg, Barcelona und Kielce hochklassig besetzt. Ihr Team gilt trotzdem als Favorit. Zu Recht?
Natürlich sind wir selbstbewusst. Wir wissen, was zu tun ist, aber das wissen die anderen Mannschaften auch. Jedes Spiel beim Final Four ist sehr prekär. Um beide Partien zu gewinnen, muss sich für uns alles fügen. Körper und Kopf müssen hundertprozentig funktionieren. Und wir brauchen auch ein bisschen Glück.

Das Gespräch führte Erik Eggers

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