zum Hauptinhalt

Sport: Ein Afrika, ein Kandidat - Südafrika hofft, dass Marokko schon in den kommenden Wochen seine Kandidatur für die Fußball-WM im Jahr 2006 zurückzieht

Sollte Reuben Mahlalela eines Tages genug haben von der Arbeit als Fußball-Funktionär, dann könnte er es in der Politik versuchen. Mahlalela hat das Talent, unterschiedliche Fragen immer gleich zu beantworten.

Sollte Reuben Mahlalela eines Tages genug haben von der Arbeit als Fußball-Funktionär, dann könnte er es in der Politik versuchen. Mahlalela hat das Talent, unterschiedliche Fragen immer gleich zu beantworten. "The time is right." Auf diesen Slogan lenkt der Delegationsleiter der südafrikanischen Mannschaft jedes Interview. Und Mahlalela gibt viele Interviews. Ständig hört man den Mann im Radio reden, fast jeden Tag sieht man ihn im ghanaischen Fernsehen. "The time is right" - für Südafrika und die WM 2006 natürlich. Deutschlands Konkurrent um die Vergabe der Fußballfestspiele nutzt den Afrika-Cup als Werbeplattform in eigener Sache. Dass Franz Beckenbauer vor drei Wochen in Ghana war, weiß kaum noch jemand; Reuben Mahlalela ist der Mann der Stunde.

Der südafrikanische Werbefeldzug ist von langer Hand vorbereitet. Botschafts- und Konsulats-Mitarbeiter bearbeiten seit Wochen die Medien in Ghana und Nigeria. Beim südafrikanischen Verband hofft man, Kapital aus der sportlichen Malaise des Mitkonkurrenten schlagen zu können. Delegationsleiter Mahlalela ist sich sicher, dass es "in einigen Wochen nur noch einen afrikanischen WM-Bewerber gibt". Der Präsident des afrikanischen Fußballverbandes, der Kameruner Issa Hayatou, hatte unlängst Südafrika und Marokko aufgefordert, sich auf einen Kandidaten zu einigen. "Nur wenn wir als geeinter Kontinent auftreten, haben wir eine Chance gegen Europa."

Die Angst vor den Strategen aus dem Norden ist in Afrika allgegenwärtig. Man fühlt sich nicht respektiert. Die Einheit Afrikas, ein Kampfbegriff aus der Zeit der Unabhängigkeit, erscheint den sportlichen Führern des Kontinents trotz aller Gegensätze und ethnischer Unterschiede als allein taugliches Mittel im Kampf gegen die übermächtig erscheinenden Europäer. Den WM-Bewerbern England und Deutschland kann das nur recht sein. Ihnen wird eine Trumpfkarte in die Hände gespielt: die Kollektivschuld.

Südafrikas Delegationsleiter Reuben Mahlalela wird einsilbig, wenn er auf die logistischen Probleme beim Afrika-Cup 2000 angesprochen wird. Er fühlt sich als Afrikaner mitverantwortlich für die Fehler der Ghanaer und Nigerianer. Journalisten verpassten das Eröffnungsspiel, weil ihre Presseausweise noch nicht gedruckt waren; Eintrittspreise wurden während des Turniers um einhundert Prozent erhöht und zwei Tage später auf das alte Niveau reduziert; Hunderte von nigerianischen Fans stürmten während des Spiels gegen Senegal auf den Rasen und mussten mit berittener Polizei auf die Ränge zurückgetrieben werden. Das Chaos scheint das Vorurteil zu bestärken: Afrikaner können nicht organisieren.

Für Mark Fish ist dieser Vorwurf in seiner Allgemeinheit "absurd". In Südafrika werde es keinerlei Organisationsprobleme geben. "Unser Land ist hochentwickelt und verfügt über eine moderne Infrastruktur." Er sehe die Dinge grundsätzlich von einer anderen Perspektive. Wohl auch, weil er anders aussieht. Der rechte Verteidiger Südafrikas ist weißer Hautfarbe. "Afrika muss davon wegkommen, jeden Fehler als kontinentales Problem zu betrachten", fordert der Profi des englischen Zweitligisten Bolton Wanderers. "Wenn in England Hooligans randalieren, werden doch auch nicht in Deutschland die Stadien geschlossen."

Thomas Hollmann

Zur Startseite