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Sport: Ein angeknockter Verein

Hertha BSC versucht in der Krise die Ruhe zu bewahren – das wirkt zuweilen unfreiwillig komisch

Berlin - Der Samstag ist noch weit weg und doch allgegenwärtig für die Fußballspieler von Hertha BSC. Am Samstag kommt der 1. FC Köln nach Berlin, und es wird mal wieder ein Charakterspiel für Hertha, denn gegen wen, wenn nicht gegen den Tabellenletzten, sollte die Serie reißen von mittlerweile zwölf sieglosen Begegnungen in der Bundesliga, DFB- und Europa-Pokal. Die Spieler versprechen den Fans schon mal auf Postern in der ganzen Stadt: „Wir geben alles für euch.“ Gesponsert wird diese Kampagne von der Firma Wall, die ihr Geld in erster Linie mit öffentlichen High-Tech-Toiletten verdient. Ob die Poster auch an diesen Örtchen kleben? Wer dort alles gibt, meint es nicht unbedingt gut mit Hertha.

Es ist leicht und billig, den Berliner Fußball-Bundesligisten in diesen Tagen mit Spott zu überziehen. Einer Mannschaft, die seit bald einem Vierteljahr auf einen Sieg wartet und im Wochenrhythmus mindestens einen Spieler durch Platzverweis verliert, einer solchen Mannschaft fehlen die Argumente für eine wirkungsvolle Verteidigung. Wer etwa wollte ernsthaft Alexander Madlung zerfleischen, den unbeholfenen Verteidiger, der am Sonntag in Duisburg zum dritten Mal innerhalb von 22 Tagen vom Platz gestellt wurde. Mit dieser Ausbeute ist Madlung eigentlich schon gestraft genug. Tapfer stellt er sich am Tag danach der Kritik und kontert sie mit dem schwer zu entkräftenden Hinweis, als Verteidiger komme er „nun mal häufiger als ein Stürmer in solche Situationen“. Situationen, in denen er es für geboten halte, dem aussichtsreich enteilten Stürmer ein Bein zu stellen.

Am Sonntag konfrontierte das Schicksal den Berliner Verteidiger schon nach 19 Minuten mit einem dieser verflixten Notstände. Duisburgs Klemen Lavric war davongelaufen, nach Madlungs korrigierendem Eingriff gab es Elfmeter für Duisburg und die Rote Karte für den Berliner. Herthas 1:2-Niederlage nahm ihren Anfang. „Der Elfmeter war okay, aber ich denke mal, eine Gelbe Karte hätte es auch getan“, sagt Madlung. Vielleicht hat er noch nichts gehört von der so genannten Notbremsenregel, nach der ein Foul gegen einen allein aufs Tor stürmenden Spieler immer mit der Roten Karte zu ahnden ist. Ob der Trainer in Gesprächen versucht habe, die Ursachen dafür zu finden, ist Madlung gestern gefragt worden. Der Verteidiger zögert kurz und antwortet: „Eigentlich nicht.“

Das hat Falko Götz ganz anders in Erinnerung. „Sie können mir glauben, dass ich mit Alexander schon nach seiner Gelb-Roten Karte in Frankfurt gesprochen habe. Daraus muss der Spieler selbst lernen.“ Wenn er das nicht könne, „muss er daraus die Konsequenzen ziehen“. Angesichts der angespannten personellen Lage fällt es Götz schwer, selbst Konsequenzen zu ziehen, etwa einen längerfristigen Ausschluss Madlungs aus dem Kader. Wer kaum Verteidiger hat, kann von den paar verbliebenen nicht einen auf die Tribüne setzen. Bis zum Spiel gegen Köln wird sich an der Personalsituation nichts ändern, jedenfalls nichts zum Positiven. Zum einen wurde Madlung für ein Spiel gesperrt, zum anderen ist die Hälfte der verletzungsanfälligen Mannschaft am Mittwoch bei Länderspielen im Einsatz.

Wahrscheinlich wird auch Thorben Marx wieder von Beginn an spielen dürfen. Den Mittelfeldspieler wollte Hertha in der Winterpause eigentlich an den 1. FC Nürnberg verkaufen. Der Wechsel scheiterte, weil Marx nicht mit dem Nürnberger Angebot zufrieden war. Götz kündigte daraufhin öffentlich an, dass die Chancen seines einstigen Lieblingsschülers, unter ihm als Trainer noch einmal für Hertha zu spielen, „sehr gering sein werden“. Thorben Marx’ Vertrag läuft im Sommer aus, Fragen nach seiner Motivation beantwortet er so: „Egal, ob wir für den Trainer oder gegen ihn spielen – wir müssen gewinnen. Sonst wird alles noch schlimmer.“

Sein Trainer bemüht sich in der Hektik des Alltags um so etwas wie Gelassenheit. Falko Götz sagt, „dass wir uns ganz normal vorbereiten werden und versuchen, drei Punkte zu holen“. Gegner Köln wartet seit 18 Spielen auf einen Sieg, das ist Vereinsrekord. „Da kommt ein Gegner, der angeknockt ist“, sagt Götz, wohl wissend, das sich eben das auch von seiner Mannschaft sagen lässt. Er weiß um die Ansprüche in Berlin und dass sie zuletzt nicht befriedigt worden sind. So lange sich daran nichts ändert, wird es in der öffentlichen Diskussion auch um die Eignung des Trainers gehen.

Herthas Manager Dieter Hoeneß gibt zu, „dass es eine sportliche Krise der Mannschaft gibt“. Keinesfalls aber sei das gleichzusetzen „mit einer Krise des Vereins“. So differenziert aber urteilt der gemeine Zuschauer nicht, und bei der Einforderung seiner Ansprüche neigt er nicht zur Herzlichkeit. Die Plakate der Fans sind von Woche zu Woche gehässiger geworden, am Sonntag hing in der Duisburger Gästekurve ein Transparent, mit dem der „Transfergott Hoeneß“ gegrüßt wurde. Mannschaft, Trainer und Vereinsführung dürfen sich für das Spiel gegen Köln auf einen frostigen Empfang gefasst machen. Der Samstag ist noch weit weg und doch allgegenwärtig.

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