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Sport: Ein Comeback, fast meisterlich

Dank der Einwechslung von Mario Gomez kommt der VfB Stuttgart dem Titelgewinn sehr nahe

Am Tag danach sah Mario Gomez aus wie alle. Relativ ausgeschlafen und bemüht, hoch konzentriert zu wirken. An Sonntagen nach Spielen fällt der Dienst für die Angestellten des Vereins für Bewegungsspiele von 1893 nicht eben umfangreich aus. Ein bisschen traben und pflegen, bevor Freizeit befohlen wird, gewöhnlich bis Dienstag. Eine knappe Stunde ist man beschäftigt. Gomez wird die freien Tage nutzen, um zur Familie auf die Alb zu fahren. Der junge Mann mag seine Familie, sie ist ihm bis heute ein warmes Nest. So macht er es immer, wenn er Geborgenheit und Entspannung sucht, die ihm sonst keiner geben kann.

Viel gefeiert haben sie nicht. Nicht er, nicht die anderen, die am Samstag mit dem VfB Stuttgart im Ruhrstadion gegen den VfL Bochum mit einem 3:2-Sieg die Tabellenführung eroberten und zumindest den zweiten Platz und den direkten Einzug in die Champions League schon sicher haben. Dass die Feierlichkeiten bescheiden ausfielen, lag nicht nur an der von allen gelebten Gelassenheit, sondern auch daran, dass sich die Schwaben kurzfristig entschlossen, mit dem Mannschaftsbus nach Stuttgart zu fahren und nicht, wie vorgesehen, mit dem Zug. Man wollte sich den Trubel ersparen, den es auf dem Umsteigebahnhof Köln und bei der Ankunft in Stuttgart gegeben hätte. Auch Gomez weiß, er kann sich noch früh genug ins Getümmel stürzen, wenn am letzten Spieltag am nächsten Samstag ein Sieg über Energie Cottbus gelingt.

In Bochum hatten sie die Wende geschafft. Fast im letzten Moment. Und VfB-Trainer Armin Veh wusste nur zu genau, warum er Mario Gomez in dem Moment von der Seitenlinie holen ließ. Dort hatte sich der Deutsch-Spanier im strömenden Regen tapfer Muskeln und Bänder gedehnt und sie für den ersten Wettkampf nach zehn Wochen Pause bereit gemacht hatte. Veh bekam schon um 16.39 Uhr die Antwort, die er haben wollte. „Seine Einwechslung war auch eine psychologische Sache. Es war klar, dass uns die Fans noch lauter anfeuern würden“, sagte Veh. Als Gomez rüber zur VfB-Bank lief, sah man ihm die Entschlossenheit an, und im Fanblock der über 5000 mitgereisten Anhänger brach lauter Jubel aus. Gomez nahm noch einen letzten Schluck aus einer Plastikflasche und hörte die „Mario Gomez“-Sprechchöre. „Wahnsinn, wir sind so nah dran jetzt. Jetzt haben wir die Champions League sicher und nun wollen wir auch Deutscher Meister werden“, hörte man Gomez später sagen, als sich der 21-Jährige in die lange Reihe der Helden des Tages einreihte.

Am 10. März hatte er gegen Wolfsburg sein letztes Spiel gemacht und anschließend lange wegen eines Innenbandanrisses und eines Handbruchs pausiert. Nun war es sein erster Ballkontakt, der einem packenden Fernduell die Krone aufsetzte. Es war die 55. Minute, als er auf den Rasen lief; es war die 61. Minute, als ihm, „der Ball auf den Kopf fiel“ (Gomez) und es 2:2 stand. Sein 14. Tor. „Es ist aber noch nicht alles vorbei. Wir haben den zweiten Platz sicher, jetzt versuchen wir, mehr daraus zu machen“, sagte Gomez.

Zurückhaltung blieb auch auf dem Trainingsgelände der „Roten“ Trumpf. Auch, weil Gomez’ Rückkehr nicht nur ein Spaziergang war. „Als sie mir von der Bank Bescheid gesagt haben, ich solle kommen, dachte ich, jetzt geht’s aber früh los. Ich bin eigentlich noch nicht so fit für 35 oder mehr Minuten. Ich hab mir aber gesagt, jetzt gehst du halt rein.“ Das Spiel lief dann anfangs auch nicht nach seinen Vorstellungen. „Ich habe gedacht: Jetzt bin ich schon drei, vier Minuten drin und hab noch keinen Ball berührt. Ich wusste, ich muss mir etwas einfallen lassen, damit es besser wird“, sagte Gomez und lachte. Am Ende tanzte er wie alle anderen wild vor dem Fanblock und brüllte laut in der eigenen Kabine. „Das Gefühl heute war viel besser als zuletzt, als ich nur auf der Tribüne sitzen konnte. Ich bin froh, dass ich etwas für die Mannschaft tun konnte.“

Darauf hatte nicht zuletzt sein Trainer gehofft. „Ich wusste“, sagte Veh, „er ist immer gut für ein Tor. Er ist gesund, und das Wichtigste ist, dass er auf dem Rasen steht.“ In seinem Urlaub wird Gomez wieder zur Familie fahren, diesmal nach Spanien. Bei Valencia besitzen seine Eltern ein Haus. Er verspricht: „Ich werde auf alle Fälle intensiv an meiner Fitness arbeiten, damit ich nächste Saison voll angreifen kann.“

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