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Sport: Ein Deutscher im Finale

Markus Merk leitet das EM-Endspiel – er ist längst mehr als ein exzellenter Schiedsrichter

Eigentlich darf Markus Merk in diesen Zeiten nur mit wenigen Menschen reden. Jedenfalls während der Europameisterschaft. Auf keinen Fall darf er mit Journalisten sprechen. Die Funktionäre des europäischen Fußballverbandes Uefa haben etwas dagegen. Dabei wollten die Reporter wissen, wie sich Merk denn jetzt fühle, nach der schönen Nachricht vom Montag. Als erst zweiter Deutscher pfeift der Zahnarzt aus Kaiserslautern ein Finale eines großen Turniers, am Sonntag im Estadio da Luz in Lissabon. Rudi Glöckner war 1970 für den Verband der DDR im WM-Finale von Mexiko der Erste. Irgendeiner erwischte dann doch einen Satz von Merk: „Ich bin sehr glücklich.“

Die Entscheidung ist auch für einen Mann wie Merk, der überall auf der Welt schon Spiele leitete, ein Höhepunkt. Ja, er hat schon ein Champions-League-Finale gepfiffen. Einmal wurde er nach Brasilien gerufen. Man benötigte einen besonders besonnenen Schiedsrichter, es stand ein Spiel an, bei dem es auf Leben und Tod ging. Jedenfalls stand das so in den Zeitungen. Ein Learjet flog Merk ein, auf dem Platz kam er dann mit nur drei Roten Karten aus. Eine Sensation sei der Kerl aus Deutschland, sagten die Brasilianer später.

Mit seinen Assistenten Christian Schräer aus Emsdetten und Jan-Hendrik Salver aus Stuttgart wird Merk nun erneut unter besonderer Beobachtung stehen. Doch in den Tagen der Europameisterschaft wirkt der Unparteiische ausgeglichen. Der Mensch Merk hat sich gewandelt. „Wo ich früher Stress empfunden habe, gehe ich heute mit mehr Gelassenheit vor“, hat er vor der EM gesagt.

Merk hat schon immer behauptet, dass sich sein Job nicht bloß aufs Pfeifen beschränke. Jetzt registriert er auch eine neue Akzeptanz. Schiedsrichter seien nun Partner auf dem Platz statt Störenfriede, Bestandteil des Ganzen und nicht mehr Prügelknaben. Ein neues Bild, zu dem vor allem die Schiedsrichter selber beitrugen. „Wir sind mit Volker Roth noch professioneller geworden“, sagt Merk. Roth ist der Chef der Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes.

Die Arbeit von Merk und seinen Kollegen beschränkt sich längst nicht mehr nur auf die Leitung von Spielen oder von Lehrgängen. Bei der EM setzen sie in Kooperation mit dem Internationalen Roten Kreuz in Genf unter dem Motto „Kinder im Krieg/Kriegskinder“ einen sozialen Schwerpunkt. In Portugal wird ein neues Logo auf die Schiedsrichter-Trikots genäht, auf dem Kinder zu sehen sind und die Aufforderung: „Let us play“. Die Unparteiischen flogen nach Sierra Leone zu armen Menschen, hielten Vorträge, und mitunter treffen sie auch Manager aus der Wirtschaft. Denen erläutert Merk dann, wie er sich fühlt, wenn er eine schwierige Entscheidung treffen muss.

Hilfsprojekte sind für Merk nichts Neues. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es „Sogospatty“ in Indien. Sein Projekt. „Indien hat mir Gelassenheit vermittelt. Wenn ich dort eintauche, vergesse ich alles andere.“ Merk tingelte zuerst als reisender Zahnarzt durch Waisenhäuser und Kinderheime. Inzwischen hat er mit seinem Verein „Indienhilfe" Schulen, Waisenhäuser und Wohnungen gebaut und mehrere Landwirtschaftsprojekte aufgebaut, die Jugendlichen, die am Rande der Gesellschaft stehen, Ausbildungschancen ermöglichen, „Dort gibt es keine Hektik“, sagt Merk. Diese Gedanken werden ihm helfen, wenn er am Sonntag den Rasen im Stadion betritt und Fernsehzuschauer aus der ganzen Welt seine Arbeit beobachten.

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