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Sport: Ein Dorf ist Weltmeister

Die junge Biathlon-Königin Magdalena Neuner bringt ihren Heimatort Wallgau durcheinander

Wallgau hat gewonnen. Es gibt das Bundesleistungszentrum für Biathlon in Ruhpolding, die ideale Basisstation für erfolgshungrige Wintersportlerinnen. Und Magdalena Neuner sagt, es habe diese Anfrage gegeben, ob sie nicht dahin ziehen wolle. Aber, sagt sie dann: „Die werde ich leider enttäuschen müssen, weil ich hier daheim bin.“ Hier: Das ist Wallgau in Oberbayern, ein Ort mit 1500 Einwohnern und ungefähr ebenso vielen Wanderwegen in erreichbarer Nähe. Sie steht auf einer Bühne auf dem Dorfplatz, als sie das sagt. Der Platz ist voller Leute, die Hüte in Zebrastreifen tragen, Vereinsfahnen halten und bayerische Fähnchen schwenken – und sie hat den Satz noch nicht zu Ende gesagt, da schwillt schon der Jubel an.

Magdalena Neuner hat gerade überraschend erfolgreich die Weltmeisterschaft im Biathlon hinter sich gebracht. Seit ein paar Tagen ist sie 20 Jahre alt, jung für eine Biathletin, und als sie losfuhr zur WM in Antholz, da war sie nur eine mehrfache Junioren-Weltmeisterin, die alle für extrem talentiert hielten. Eigentlich – das sagte Bundestrainer Uwe Müssiggang später – sei sie losgefahren, um dort Erfahrungen zu sammeln. Zurück kam sie als die Erste in der Geschichte des Biathlons, die bei einem einzigen Turnier drei Weltmeistertitel gewinnen konnte. Der nicht für seine Übertreibungen bekannte Müssiggang sagt jetzt bewundernde Sätze wie diese: „Magdalenas ganze Persönlichkeit und ihre Wertvorstellungen, das ist ganz erstaunlich in diesem Alter. Ich wünsche mir, dass das so bleibt, und dann wage ich auch zu garantieren, dass es noch mehr solche Erfolge gibt.“

Von einer Frau, die fast nur die Experten kannten, wurde Neuner innerhalb von zwei Wochen zu einer, die einen Fanklub in Russland hat, die für die Kamerateams das Sportgesicht des Winters ist und die mit sich selbst auch das Örtchen Wallgau ins Bewusstsein gerückt hat, das bis dahin nur einen ehemaligen Weltmeister im Armbrustschießen hatte, Robert Kuplwieser.

Wallgau: Berge rundherum. Der Busfahrer begrüßt die Gäste mit Vornamen. Staatlich anerkannter Erholungsort. Und dank einer 20-Jährigen, die nach eigener Aussage gerne Harfe spielt, strickt, wandert, im nahen Walchensee baden und am Sonntag in die Kirche geht, steht man in Wallgau kopf. Die Gemeinde ehrt „unsere Lena“ – das ist wallgauerisch für „die erfolgreiche Mitbürgerin“ – mit Wiener Würsten, Leberkäse, Bier, Glühwein, einem Festumzug und einem Empfang auf dem Dorfplatz. Ein Fanklub hat sich gegründet, schon vor der WM, der nach 16 Tagen schon 168 Mitglieder hatte. „Wir im Dorf haben in den letzten zwei Wochen alle viel zu viel gefeiert“, fasst die Schriftführerin Eva Möslein zusammen. Die 27-jährige Martina Glagow aus dem Nachbarort Mittenwald, die mit Neuner und der Staffel Gold gewonnen hat, ist gekommen, und selbst der bayerische Minister für Kunst und Wissenschaft, Thomas Goppel, ist mit dem Hubschrauber angereist. „Vater und Mutter“, sagt er und meint Neuners Eltern: „Vielen Dank! Gut, dass ihr vor 20 Jahr’n a guade Stund g’habt habt.“

Vater und Mutter werden von einem Kamerateam aufgehalten, und so sagen sie halt notgedrungen auch etwas. Der Vater: „Sie ist nicht überehrgeizig, aber absolut zielstrebig.“ Und die Mutter: „Sie ist schon ein braves Madl.“ Und Magdalena Neuner selbst? Posiert vor Fotografen. Sie zeigt ihre drei Goldmedaillen, lässt sie mal hier auf einem Plastiktisch liegen, dann dort von Autogrammjägern anfassen und sagt so schöne Sätze wie: „Mein Manager hat zuletzt schon a bissl gestresst am Telefon geklungen.“

Die Musikkapelle Wallgau, die meistens, aber nicht an diesem Tag, von Neuners Vater dirigiert wird, spielt erst die Bayern-, dann die Deutschlandhymne; die Sportlerin trägt sich ins Goldene Buch der Gemeinde ein, es gibt ein Feuerwerk, die Gebirgsschützen schießen einen Ehrensalut. Und Magdalena Neuner würdigt die Veranstaltung mit einem angemessenen Schlusssatz: „Lasst’s d’Sau raus!“ Für die Wallgauer bleibt die Erkenntnis: Das Dorf wird ihr Zuhause bleiben. Und Magdalena Neuner? Geht. Am Morgen ist Training.

Klaus Raab[Wallgau]

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