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Sport: Ein Fan springt ein für sein Idol

Federico Marchetti muss in Italiens Tor Buffon vertreten

Es ist immer dieselbe Prozedur, die Ivano Bordon mit den Tormännern der Squadra Azzurra beim Training anstellt. Bordon, 59, früher selbst ein erstklassiger Keeper bei Inter Mailand und 1982 dritter Torwart in Italiens WM-Aufgebot, hält mit der rechten und linken Hand je einen Ball. Vor ihm lauert der gerade auserkorene Keeper und schnappt sich jenen Ball, den der italienische Torwarttrainer fallen lässt. Wer Federico Marchetti dabei zusieht, erkennt schnell, dass der 27-Jährige noch nicht jene Geschmeidigkeit und Gewandtheit mitbringt, die Gianluigi Buffon bei diesen automatisiert ablaufenden Übungen auszeichnet.

Doch Buffon ist nun wegen eines Bandscheibenschadens auf unbestimmte Zeit außer Gefecht. Der 32-Jährige wird derzeit mit Kortison behandelt und träumt eigener Aussage nach noch von einem möglichen Finaleinsatz. Dass er bei der WM 2010 noch einmal spielt, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Sein Verein Juventus Turin hat angesichts der ungewissen Ausfallzeit bereits Marco Storari vom Ligakonkurrenten AC Mailand als Ersatz verpflichtet.

Und bei Buffons Stellvertreter im Nationalteam wird plötzlich jede Aktion genauestens unter die Lupe genommen. Weil die Italiener genau wissen, dass die WM-Titel 1982 und 2006 eben auch ein Verdienst ihrer Torhüter waren. Und Marchetti, der seine Lockenpracht angesichts des südafrikanischen Winters gerne unter einem blauen Stirnband oder einer Mütze bändigt, soll nun über Nacht und mit dem Spiel gegen Neuseeland in Nelspruit am Sonntag zu einem neuen Dino Zoff oder Buffon aufsteigen. Aber ist das wirklich wichtig für ihn?

Marchetti kommt dieser Tage nicht darum herum, seine Lebensgeschichte zu erzählen. „Vor fünf Jahren habe ich dem Tod ins Auge gesehen, das hat mein Leben verändert“, sagt er. Wie durch ein Wunder überlebte er damals einen schweren Autounfall. „Ein schreckliches Erlebnis. Manchmal sehe ich heute noch die Flammen vor mir. Ich konnte mich im letzten Moment retten, weil ich das Fenster zerschmetterte.“ Seine sonst so ruhige Stimme wird brüchig, wenn er von diesem Tag erzählt.

Zwei seiner damaligen Teamkollegen hatten weniger Glück. Andrea Tagliaferri und Francesco Varrenti, Fußballer und Marchettis beste Freunde, kamen 2004 und 2006 bei Autounfällen ums Leben. „Andrea e Francy with me forever“ ließ sich Marchetti auf den Arm tätowieren – in Mexiko, dem Land, das die drei Freunde als Ferienziel ausgesucht hatten. „Bisweilen glaubte ich, vom bösen Schicksal verfolgt zu sein“, sagte er einmal. So etwas prägt. Und lehrt Demut.

Zumal der Torwart von Cagliari Calcio nie so im Rampenlicht stand wie die meisten Mitspieler der aktuellen Auswahl. Den vierfachen Welttorhüter Buffon bat Marchetti im Spätsommer 2006 noch schüchtern um ein Autogramm – man hatte sich zufällig in einem Turiner Restaurant getroffen. Er spielte damals ja nur in der vierten Liga; sein Arbeitgeber, der AC Turin, verlieh ihn immer wieder an alle möglichen Vereine. Die ersten wirklich wichtigen Komplimente verdiente er sich vor drei Jahren bei UC Albino Leffe, als er in der Serie B gegen das strafversetzte Juventus Turin ein 1:1 festhielt. Cagliari lieh ihn schließlich aus, um dann den 2009 zum besten Torhüter der Serie A gekürten Mann zu verpflichteten. Nun interessieren sich angeblich Milan und Juventus für ihn.

Marcello Lippi sorgt sich jedenfalls wegen dieser Personalie angeblich nicht, Italiens Nationaltrainer hält große Stücke auf seine Nummer 12, die ja schon ihre ersten 45 WM-Minuten schadlos überstanden hat; allerdings brachte Paraguay im Kapstädter Regen nicht einen Schuss auf Marchettis Tor. Aber vielleicht ist das auch ein gutes Omen: Keines seiner bisher sechs Länderspiele ging für Italien verloren. Frank Hellmann, Kapstadt

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