zum Hauptinhalt
Hohe Schule. Die Spanier und die Italiener zeigen in Danzig anspruchsvollen Fußball und kämpfen um jeden Ball, wie hier

© dapd

Sport: Ein Favorit bleibt, einer kommt dazu

In einem rasanten Spiel zeigen sich sowohl Weltmeister Spanien als auch Ex-Weltmeister Italien stark. Das 1:1 ist da ein gerechtes Ergebnis.

Das war wirklich ein schönes Bild, das die spanischen Zuschauer in ihrer Ecke des Danziger Stadions formten. All die Menschen in ihren Fantrikots bildeten rund um die Ausfahrt aus dem Innenraum – mit etwas Fantasie – einen riesigen roten Dinosaurier. Der Welt- und Europameister wurde von einem stattlichen Anhang begleitet, an Masse und Lautstärke waren die Fans aus Spanien denen aus Italien deutlich überlegen. Auf dem Platz fiel das Kräfteverhältnis nicht ganz so klar aus. Die Italiener lieferten dem Favoriten in einem sehenswerten Spiel einen beherzten Kampf, der nach Toren von Antonio Di Natale für Italien und Cesc Fabregas für Spanien mit einem treffenden 1:1 (0:0)-Unentschieden endete. „Es war ein intensives Spiel mit einem fairen Ergebnis“, sagte Italiens Nationaltrainer Cesare Prandelli.

Die Spanier hatten zwar naturgemäß mehr Ballbesitz (60 Prozent), sie kamen aber lange nicht in ihren gewohnten Kombinationsfluss. In der prekären Zone vor dem Strafraum verdichteten die Italiener wirksam Raum und Zeit. Mit Verve hauten sie sich in die Zweikämpfe, und bei Ballgewinn suchten sie umgehend den Weg nach vorn. Tatsächlich fanden sie immer wieder stattliche Lücken in der spanischen Defensive.

Die Italiener, die den defensiven Fußball beherrschen wie keine zweite Nation, mussten aus Mangel an Abwehrspielern mit einer Dreierkette verteidigten, in der Daniele De Rossi als gelernter Mittelfeldmann die zentrale Position einnahm. Da fügte es sich ganz gut, dass Spaniens Coach Vicente Del Bosque sogar ganz ohne Stürmer beginnen ließ. Fernando Torres saß überraschend nur auf der Bank, kam eine Viertelstunde vor Schluss und vergab zwei glänzende Torgelegenheiten. In vorderster Linie sollte sich Cesc Fabregas versuchen, doch der fremdelte anfangs erkennbar mit der ungewohnten Rolle.

Die besseren Chancen hatte vor der Pause der Außenseiter, die beste vergab Thiago Motta. Nach einer Flanke des agilen Antonio Cassano kam er im spanischen Strafraum völlig frei zum Kopfball. Iker Casillas reagierte glänzend. Eine solch starke Leistung hatten den Italienern nach der zerrütteten Vorbereitung mit der Polizeirazzia in ihrem Quartier, der Suspendierung von Domenico Criscito, den Manipulationsvorwürfen gegen Kapitän Gianluigi Buffon und der krachenden 0:3-Niederlage gegen Russland im letzten Test vor der EM nicht viele zugetraut.

Den Spaniern fehlte im Abschluss die letzte Entschlossenheit, manchmal auch die nötige Klarheit. Es gab Situationen, die den Keim von Gefahr in sich trugen, eine echte Chance hatte der Weltmeister in der ersten Halbzeit nicht; die größte Annäherung gelang Andres Iniesta kurz vor der Pause mit einem Heber über Buffon – und über die Latte. Erst zu Beginn der zweiten Hälfte erhöhten die Spanier das Tempo, sie jagten den Ball nun und wurden dadurch gefährlicher. Iniesta verfehlte das Tor aus spitzem Winkel nur knapp; auf der anderen Seite verschluderte Mario Balotelli die riesige Chance zur Führung. Der Stürmer von Manchester City eroberte an der Seitenlinie gegen Sergio Ramos den Ball, trottete dann aber so gemütlich Richtung Tor, dass der spanische Verteidiger noch klären konnte. Dass Balotelli, der wahnwitzige Kunststücke mit ebenso wahnwitzigen Aussetzern mischt, kurz darauf vom Feld musste, schien kein Zufall zu sein. „Es war keine Bestrafung“, erwiderte Prandelli. „Wir brauchten frische Ideen im Sturm.“

Prandelli schickte Antonio di Natale, den mit 34 Jahren ältesten Feldspieler der Italiener, aufs Feld, und nur vier Minuten später zeigte der Routinier aus Udine dem Jungspund Balotelli, dass Zielstrebigkeit im Zweifel mehr zählt als ein hübscher Hackentrick. Nach einem wunderbaren Pass des alten Meisters Pirlo überwand Di Natale Spaniens Torhüter Casillas zur Führung.

Aber vielleicht zeichnet das wahre Champions aus: dass sie unter besonderem Druck zu besonderer Form auflaufen. Nur vier Minuten nach dem 1:0 glich der Titelverteidiger aus. David Silva spielte mit einem grandiosen Pass durch eine enge Gasse Fabregas frei, und der überwand Buffon zum 1:1. Es entwickelte sich nun ein offenes Duell mit Vorteilen für die Spanier, die größere Freude aber war nach dem Schlusspfiff bei den italienischen Zuschauern zu vernehmen. Eindeutig.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false