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Sport: Ein Glück, dass das Kreuzband riss

Die kuriose Geschichte der Skeletonfahrerin Diana Sartor

Berlin. Ausgerechnet Diana Sartor musste das passieren. Seitdem sie bäuchlings als Skeletonfahrerin durch die Eisrinnen jagt, mit dem Gesicht nur fünf Zentimeter über der betonharten Piste, war sie immer ungeschoren davongekommen. Und nun lief sie doch mit einer abgehobelten Nase herum. „Ich bin in Königssee gegen eine Betonsäule gelaufen“, erzählt sie, „aber alle denken doch gleich, dass ich mich auf dem Schlitten dumm angestellt habe.“ Eine ramponierte Nase gilt nun mal in der Skeletonszene als ein Zeichen für Nichtskönner, und zu denen gehört die Olympiavierte aus Bärenfels im Erzgebirge nun wahrlich nicht.

Zum Glück passierte das Ganze einige Zeit vor dem ersten Saisonweltcup in Calgary am vergangenen Wochenende, sonst hätte es einiges an Spott gegeben. In der Art etwa, wie ansonsten Diana Sartor über die so genannten Cresta-Fahrer in St. Moritz lacht. Bis heute verbindet man Skeletonfahren auf dem Cresta-Run in den Schweizer Alpen mit einem Hauch von Exklusivität, denn Reiche und Berühmte versammeln sich oft in dem Nobelkurort, und einige von ihnen stürzen sich selbst in die Naturbahn mit den recht niedrigen Seitenwänden. Wer dann aus der Kurve fliegt oder sich die Nase ramponiert, gehört bei der abendlichen Party im Dracula-Club von Alt-Playboy Gunter Sachs zu den Helden. Damit wollen Skeletonfahrer mit olympischen Ambitionen nicht so gern in Verbindung gebracht werden. Es gibt jedoch auch Olympioniken, deren Karriere als Crestafahrer begonnen hatte. Lord Clifton Wrottesley zum Beispiel, der wie sie bei Olympia Vierter geworden war.

Vor neun Jahren wusste Diana Sartor noch nicht einmal, was Skeleton ist. „Ich hatte zur Weltmeisterschaft das deutsche Team in meinem Haus, da haben mich einige auf den Geschmack gebracht.“ Damals war sie 24 Jahre alt. Von der sportlichen Veranlagung her hätte Diana Sartor sicherlich schon zu DDR-Zeiten einiges erreichen können, aber sie hatte für sich verinnerlicht: „Für diesen Staat will ich nie eine Medaille gewinnen.“ Immer wenn es etwas konkreter bei einer Sportart wurde, hatte sie sich zurückgezogen. Die Gründe dafür waren vielfältig: Der Vater war aus dem Westerwald, den er zu DDR-Zeiten nicht besuchen durfte, Diana Sartor war konfirmiert worden und durfte kein Abitur machen. Sportlich wie privat lebte Diana Sartor in einer Nische.

Das private Problem war mit der Wende verschwunden, doch es dauerte noch bis 1994, als Diana Sartor als Sportlerin ihren Platz fand. Eigentlich wollte sie das Skeletonfahren zunächst nur auf der Bahn in Altenberg etablieren. Dafür machte sie den Trainerschein, und plötzlich zählte sie zu den Schnellsten in Deutschland. Zwei Jahre später war Diana Sartor bereits Deutsche Meisterin. Und das als Freizeitsportlerin. Parallel dazu fuhr sie im Weltcup und merkte schnell, „dass ich nur als Profi mehr erreichen konnte“. Das war 1999. Ausgerechnet ein Kreuzbandriss brachte dann den Schützling von Trainer Dirk Grundmann mit einem Sponsor zusammen, auf den sie heute noch setzen kann: die Altenberger Reha-Klinik Raupennest. Bei Olympia in Salt Lake City verpasste sie nur knapp eine Medaille. Dafür gewann sie später das Weltcupfinale auf der Heimatbahn im Kohlgrund. Und gestern war sie auch beim Weltcup in Lake Placid Schnellste, noch vor der in der Gesamtwertung führenden Kanadierin Lindsay Alcock..

Ob sie noch bei Olympia 2006 in Turin dabei sein wird,, ist ungewiss, denn „ich denke nur von Jahr zu Jahr“. Diana Sartor möchte da „keinen Druck aufkommen lassen“. Sorgen um ihre Zukunft braucht sie sich ohnehin nicht zu machen. Die Pension daheim im Erzgebirge läuft nach mageren Nachwende-Jahren wieder sehr gut, und im Sport hat Diana Sartor heute schon mehr erreicht, als sie jemals zu erträumen gewagt hätte. Als Einzelkämpferin aus Altenberg, fernab vom eigentlichen Zentrum in Oberhof. „Ich bin froh, dass ich dort nicht trainieren muss“, sagt sie, „wenn die sich dort die Köpfe einrammen, dann könnte ich darüber lachen.“

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