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Sport: Ein goldiger Streit

Eisschnellläuferinnen gewinnen Team-Verfolgung

In der Kabine wurde gleich mal eine Sektflasche geköpft. Hier wurde keine normale Goldmedaille gefeiert. Der WM-Titel, den das deutsche Frauen-Team gestern bei der Eisschnelllauf-WM in Inzell gewann, war etwas Besonderes. Es war die erste Goldmedaille bei dieser WM für die Deutschen. Es war die erste Goldmedaille, die in dieser Disziplin bei einer WM vergeben wurde. Und das Gold war die Antwort auf den wochenlangen öffentlichen Streit zwischen Olympiasiegerin Claudia Pechstein und Chef-Bundestrainer Helmut Kraus. Pechstein fehlte gestern, sie schonte sich für ihr heutiges 5000-m-Rennen. So gewannen Anni Friesinger, Daniela Anschütz und Sabine Völker Gold vor Kanada. Gerade Völker, die Pechsteins Platz einnahm, stand „unter einem ganz besonderen Druck“, sorgte aber für einen exzellenten Start. Daniela Anschütz lief eine sehr starke zweite Runde, und Anni Friesinger hielt sich trotz ihres verletzten Fingers sehr gut. „Wir haben unseren Plan erfüllt“, sagte Friesinger.

Dass dieser Teamwettbewerb so eine Bedeutung erhielt, lag an dem grotesk aufgewerteten Streit zwischen Kraus und Pechstein. Im Kern der Auseinandersetzung geht es um Lappalien, um die Fragen: Wie konkret wurde in einer Trainersitzung über ein Ausscheidungsrennen zwischen Pechstein und Sabine Völker aus Erfurt über die Besetzung eines Platzes im Team gesprochen? Kraus und Völkers Trainer Stephan Gneupel haben andere Versionen als Pechsteins Coach Joachim Franke. Letztlich fand das Rennen nie statt, weil es Pechstein nicht in den Wettkampfplan passte. Trotzdem beschwerte sich Pechstein darüber, dass Kraus zuerst der Presse erzählt habe, dass sie nicht im WM-Team sein würde. Wer nun was wem zuerst mitgeteilt hat, lässt sich nicht mehr genau herausfinden, jede Seite hat ihre eigene Version. Letztlich ist es eigentlich auch völlig egal.

Der Streit um Kleinigkeiten eskalierte, weil Pechstein und Kraus zu stur sind, um aufeinander zuzugehen, und weil die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) ein amateurhaftes Krisenmanagement betrieben hat. Pechstein und Kraus haben seit der Mehrkampf-WM in Moskau nicht mehr miteinander gesprochen. Und die war Anfang Februar. Dafür aber griff Pechstein in diversen Interviews Kraus an und forderte indirekt seinen Rücktritt. Spätestens jetzt hätte der Verband, intern oder öffentlich, reagieren müssen.

Stattdessen wurde die DESG-Führung bei einem Pressetermin im Zelt des Hauptsponsors des Verbands mit dem Thema konfrontiert. Pechstein hatte dem Verband vorgeworfen, die DESG tue zu wenig dafür, den Trainingsstandort Berlin zu stärken. DESG-Chef Gerhard Zimmermann knurrte im voll besetzten Sponsoren-Zelt: „Dann müssen wohl geheime Mächte dafür verantwortlich sein, dass Claudia Pechstein so viele Erfolge hat.“ Im Vorzelt präsentierte Pechsteins Manager Ralf Grengel derweil interne Protokolle, die zeigen sollen, dass Kraus schlicht lügt.

Anderen Mitgliedern im deutschen Team geht der Streit ohnehin schon lange auf die Nerven. Anni Friesinger ist froh, dass nun zumindest für kurze Zeit die Goldmedaille das beherrschende Thema ist: „Das tut uns allen gut.“

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