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Sport: Ein Hobbyboxer schlägt zurück

Der vielleicht schlechteste Regisseur der Welt verfilmt das Leben von Max Schmeling. Henry Maske und Artur Abraham spielen mit. Ein Treffen bei der Berlinale

Berlin - Der European Producers Club trifft sich zur Berlinale in einem Café am Gendarmenmarkt. Am Telefon hat Uwe Boll gesagt, er könne die Herren Filmproduzenten für ein halbes Stündchen sich selbst überlassen und über sein neuestes Projekt sprechen, einen Kinofilm über Max Schmeling. Henry Maske wird die Titelrolle spielen und dabei auch gegen den amtierenden Weltmeister Arthur Abraham boxen, aber dazu später mehr.

Im Café herrscht allgemeines Durchein ander von sich selbst überlassenen Filmproduzenten, aber Uwe Boll ist leicht auszumachen. Ein kräftiger Mann mit breitem Kreuz und militärisch kurzem Haarschnitt, man kann ihn sich gut im Boxring vorstellen. Hallowiegehtsallesklar, mit dem Schmeling-Film laufe es bestens, „Heiner Lauterbach wird wahrscheinlich den Trainer spielen, da passt das ja ganz gut mit dem Manager.“ Was passt mit dem Manager? „Na, den spielst du doch!“ – Ähm, nein, ich bin der vom Tagesspiegel... Boll schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn. „Stimmt ja, der Journalist“, blödes Missverständnis, aber gerade jetzt wollte auch ein Schauspieler zum Casting vorbeischauen, wie hieß er gleich, egal.

Der Filmemacher Uwe Boll wurde 1963 im Bergischen Land geboren, aber Glück und Geld hat er in Amerika gemacht. Obwohl er mit Burt Reynolds, Ben Kingsley und Geraldine Chaplin Filme gedreht hat, halten ihn seine Kritiker (und davon gibt es viele) für den schlechtesten Regisseur der Welt. Am kommenden Wochenende soll Boll in Hollywood die Goldene Himbeere erhalten, das Gegenstück zum Oscar für besonders schlechte Leistungen. Seine Spezialität ist die Verfilmung von Computerspielen. Sie heißen House of the Dead oder Alone in the Dark, es fließt viel Blut und es fliegen viele Kugeln. Diese Geschäftsidee hat ihm viel Geld eingebracht, treue Feindschaft in der Spielergemeinde und in den Feuilletons ein Abonnement auf vernichtende Kritiken.

So einer will das Leben von Max Schmeling verfilmen? Schmeling ist der einzige Schwergewichtsweltmeister im deutschen Profiboxen. Einer, den die Nazis hofierten und doch nie für sich gewannen, der zu seinem jüdischen Manager stand und zu seiner tschechischen Ehefrau, der nicht in die NSDAP eintrat, im Krieg an die Front abgeschoben wurde und 1945 wieder bei Null anfing. In der deutschen Heldengalerie steht Schmeling in einer Reihe mit Graf von Stauffenberg.

Boll sagt, die Kritik sei ihm egal, bei Tom Cruises Film über Stauffenberg hätten auch alle den Untergang des Abendlandes befürchtet, „und er ist ganz gut geworden, oder?“ Außerdem, sagt Boll, hätte kaum einer der Kritiker, die ihn verrissen, je seine Filme gesehen, „die meisten schreiben nur aus dem Internet ab“. Und so eine Goldene Himbeere müsste man sich auch erst verdienen, „dafür kommen nur Filme der A-Kategorie in Frage“, etwa Staying Alive, Rambo und Star Trek. „Filme, wie sie hier auf der Berlinale gezeigt werden, sind für die Goldene Himbeere schon deshalb kein Thema, weil man die in Hollywood gar nicht als Filme wahrnimmt. Fragen Sie mal einen Amerikaner, ob er was von Jerichow gehört hat!“

Gibt es gute Box-Filme? Boll überlegt. „Vielleicht Raging Bull von Martin Scorsese. Cinderella Man mit Russel Crowe ist großartig. Und ich liebe die Rocky-Filme, aber leider ist das Boxen da schlecht dargestellt.“ Dass sich Boll beim Boxen auskennt, werden sogar seine Kritiker bestätigen. Mit fünf von denen ist er vor zwei Jahren in den Ring gestiegen und hat alle ordentlich vermöbelt. Das war etwas unfair, denn Boll hat früher selbst geboxt, „in Leverkusen war ich Sparringspartner von Dariusz Michalczewski, und Felix Sturm kannte ich schon, als er ein Kind war“.

Für die Authentizität im Schmeling- Film soll Henry Maske bürgen. Der frühere Weltmeister im Halbschwergewicht mit dem Ruf des Gentlemans spielt die Hauptrolle. „Maske ist ideal“, sagt Boll, „er ist als Mensch ähnlich zurückhaltend, wie es Schmeling war. Er ist ehrgeizig, nimmt Schauspielunterricht. Und er kann richtig hauen.“ Stand der Stilist Maske nicht eher für das Gegenteil? Stimmt, sagt Boll, „aber er wird auf jeden Fall überzeugender sein als alle Schauspieler“, etwa Til Schweiger, der sich in Joe & Max schon als Schmeling versucht hat. „Nichts gegen Til, er ist ein guter Freund, aber er kann nicht richtig boxen, und so etwas nimmt einem Film die Glaubwürdigkeit.“

Der Film, sein Film, soll schlicht „Max Schmeling“ heißen. Er beginnt 1941 auf Kreta, wo sich der als Fallschirmjäger eingesetzte Schmeling verletzt und einem englischen Kriegsgefangenen seine Lebensgeschichte erzählt. Von den Anfängen in Berlin und dem Aufstieg in die gehobene Gesellschaft. Vom Aufbruch nach Amerika und dem WM-Titel, den Schmeling im New Yorker Yankee Stadium gewinnt, weil sein Gegner Jack Sharkey wegen eines Tiefschlags disqualifiziert wird. Und von den beiden Kämpfen gegen Joe Louis, die die Propagandisten in Deutschland und Amerika ausschlachten. Schmelings Sieg im ersten Kampf 1936 werteten die Nazis als „Beweis für die Überlegenheit der arischen Rasse“. Zur Revanche zwei Jahre später kletterte der Deutsche unter Polizeischutz in den New Yorker Ring, aus dem ihn Louis schon nach zwei Minuten herausprügelte. Der Höhepunkt soll am Ende kommen: der letzte Kampf des 43-jährigen Schmeling, der nach dem Krieg Geld verdienen muss. Schmeling verliert im Schneetreiben der Berliner Waldbühne gegen den Hamburger Richard Vogt, der im Film vom amtierenden Weltmeister Arthur Abraham dargestellt werden soll. Boll strahlt. Maske gegen Abraham, und nicht irgendein Promoter bringt diesen Kampf zustande, sondern er, der Hobbyboxer und Filmemacher.

Kurz vor der Berlinale hat ihm das Medienboard Berlin Brandenburg wissen lassen, sein Projekt sei leider nicht förderungswürdig, weil das Drehbuch nicht die innere Zerrissenheit Schmelings widerspiegele. So ein Blödsinn, sagt Boll. „Das Bemerkenswerte an Schmeling war doch, dass er in sich ruhte und keinesfalls zerrissen war“, aber was wissen die Bürohengste aus Babelsberg? Dafür habe er nun den Ärger mit seinem Drehbuchautor riskiert, „der hat mir gesagt: Uwe, du hast mir versprochen, dass ich mich nicht mit Filmförderheinis rumärgern muss!“

Na, die Sorge ist er los. „Jetzt machen wir nicht kleines Fernsehspiel, sondern richtiges Kino“, sagt Boll. Den Film wird er weitgehend privat finanzieren, vor allem mit dem Geld zweier anonymer Wohltäter, die Schmelings Leben gewürdigt sehen wollten. Gedreht wird in Zagreb, „ist billiger als Berlin“. Boll erzählt, auf einem Berlinale-Empfang habe er Michael Naumann getroffen, den früheren Staatsminister für Kultur. „Dem hab ich gesagt: Herr Naumann, ist ja peinlich für die Filmstadt Berlin, dass ein Film über Max Schmeling nicht hier gedreht wird!“ Naumann habe einen schönen Abend gewünscht.

An einem anderen Abend lief ihm Nadja Auermann über den Weg; groß, blond und schön. Eine Idealbesetzung für Schmelings Frau, die Schauspielerin Anny Ondra? Boll schüttelt den Kopf. Zu alt, zu groß, „ich würde sie als Emmy Göring besetzen, aber das hat sie abgelehnt“. Ist gar nicht so einfach, gutes Personal zu casten. Auermann will kein blondes Nazi-Weib spielen, Lauterbachs Zusage steht aus. Und wo bleibt bloß der Kerl, der Max Schmelings Manager spielen soll?

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